Freitag, 31. März 2017

Abschied von der eigenen Lunge

In Bezug auf unsere Lungentransplantation haben wir bisher eher darüber gesprochen, was jetzt alles besser ist, wie dankbar wir dem Spender und seiner Familie sind und was wir mit unseren "Vintage" -Lungen so alles erleben.

Worüber wir noch nicht gesprochen haben ist, dass der Tag der Transplantation ein Neuanfang ist, aber auch ein Abschied. Ein Abschied von der eigenen Lunge.

Das mag für viele Gesunde ganz unverständlich sein und auch Ärzte können die Trauer über den Verlust eines Organes, was nur Ärger macht, nicht verstehen. Im allgemeinen gilt eher das Autoprinzip: Etwas im Getriebe ist kaputt, es wird ausgetauscht, alles ist wieder gut.  Und auch nicht jeder Transplanierte empfindet es als großen Verlust.

Ich persönlich habe doll getrauert und trauere vielleicht immer noch. Wie bei einem engen Vertrauten. Erst ist es ganz schlimm, mit der Zeit wird es weniger, aber hin und wieder ist es immer noch traurig. Wobei ich auch sagen muss, dass ich mir manchmal bewusst machen muss, dass ich jetzt meine zweite Lunge habe. Wenn ich mich z. B. wundere, das die Lunge irgendwie anders reagiert als ich es gewohnt bin. Hätte ich vor der Transplantation nicht gedacht, dass sich das so normal und "wie immer" anfühlt.

Aber warum dann die Abschiedsstimmung? Es ist halt ein Teil von einem selbst. Und im Gegensatz zu Gesunden, die automatisch atmen ohne darüber nachzudenken, habe ich mich täglich intensiv mit meiner Lunge beschäftigt. Mal habe ich sie gehasst (wenn sie mir mal wieder den Urlaub verdarb), dann habe ich sie geliebt (wenn sie sich nach Krisen besser erholte als erwartet) und zusammen haben wir uns unglaublich viel erkämpft. Ich kannte jedes knistern und brodeln. Ich wusste genau wie es sich anfühlt wenn sich irgendein Infekt anbahnt und auch was ihr gut oder nicht gut tat. Jeder noch so kleine Luftweg war mir vertraut.

In den Vorgesprächen zur Transplantation fragte ich, ob ich die Lunge hinter her wenigstens mal sehen und mich verabschieden  kann - es muss ja nicht das Einmachglas im Regal werden. Leider ist das nicht möglich - also das Sehen, das Einmachglas sowieso nicht :-) . Aber als es soweit war, hatte ich eine ganz tolle Ärztin, die tatsächlich Fotos gemacht hat. Diese Bilder haben mir unglaublich geholfen. Zum einen habe ich damit eine bleibende Erinnerung, zum anderen konnte ich erstmals sehen wie kaputt meine Lunge war.

Am Disney-Friedhof neben dem Geisterschloß

Blieb die Frage nach einem schönen Abschiedsritual. Es gibt tolle Aktionen, die aber leider schon fast abgenutzt und zu Klischeehaft sind. Flaschenpost, Luftballons (hab ich trotzdem gemacht) und ähnliches. Eine Freundin meinte gleich, eigentlich müssten wir die Lunge auf den Geisterfriedhof im Disneyland verabschieden, weil wir uns einen Aufenthalt dort so oft mühsam erkämpft haben. Die Idee fand ich wirklich prima. Die Bilder verbrennen und dann die (Papier-)Asche auf den Disneyfriedhof streuen. Bisher habe ich mich allerdings darum gedrückt. Ich weiß nicht, ob ich das wirklich mal mache, aber den Gedanken finde ich immer noch schön.

Haltet eure alten und neuen Lungen in Ehren,
Miriam

Freitag, 24. März 2017

Schneewittchen und der Apfel

Als ich neulich eines meiner Lieblings-T-Shirts anhatte, sagte eine Freundin: "Heute siehst Du aus, wie die auf Deinem Shirt." Gut, so richtig wie Schneewittchen sehe ich nun nicht gerade aus, aber wir haben mehr gemeinsam als man denkt. Das T-Shirt kaufte ich bei einem meiner ersten Besuche im Disneyland Paris nach der Transplantation und fand es mega passend. Was man auf dem Foto nicht erkennen kann, über dem bösen Apfel steht "forbidden" (verboten). Und nach der Transplantation sind (ungeschälte) Äpfel ... naaaa.... verboten :-)
Schneewittchens Glassarg entspricht in meinem Fall dann wohl eher den Nebel- und Sauerstoffzelten von früher und im Koma lag ich auch. Allerdings benötigte ich ein kleines bisschen mehr medizinische Unterstützung, als einen Kuss von einem Prinzen. Wobei in der Originalversion des Märchens der Kuss auch nicht die Lösung war, sondern das Stolpern der Zwerge und das zu Boden fallen des Glassarges Schneewittchen gerettet haben.

Egel ob moderne Medizin, ein Kuss oder Tollpatschigkeit: Schön das wir gerettet wurden.

Und da wir nicht gestorben sind, lasst uns glücklich und zufrieden leben "auf immer und ewig".
Miriam

Freitag, 17. März 2017

Jetzt sind "wir" schon drei

Es fällt mir schwer zu glauben, dass meine Spenderlunge und ich nun schon drei Jahre zusammen sind. Es waren drei ganz wunderbare Jahre, die unglaublich schnell vorüber gegangen sind.
Zur Feier des Lungengeburtstages fuhren mein Mann und ich für ein Wochenende nach Berlin. Von dort aus gönnten wir uns einen Tagesausflug nach Potsdam. Zuerst ging es in das neue Museum Barberini (Es ist auf jeden Fall einen Ausflug wert. Wir haben so schöne Bilder gesehen. Wahnsinn wie die Illusionisten strahlen!) und hinterher bummelten wir durch Sanssouci.

Wenn mir jemand vor etwas mehr als drei Jahren erzählt hätte, dass Treppenstufen mal kein Problem mehr darstellen würden - ich weiß nicht, ob ich das geglaubt hätte. Wie oft habe ich mich in den letzten 20 Jahren irgendwelche Stufen hochgequält...
Die Treppen von Sanssouci sind kein Problem mehr!

Ich wiederhole mich hier gerne. Es ist so toll, alle möglichen Dinge einfach machen zu können. Auflüge nach Berlin (oder sonstwohin), den ganzen Tag durch die Stadt laufen und sich in Museen vor den großen Kunstwerken die Füße plattstehen, nicht mehr fünf Mal am Tag inhalieren müssen und dadurch eingeschränkt sein... die Liste ist lang.

Happy in Sanssouci :-)

An meinem Lungengeburtstag habe ich immer diese Mischung aus Freude und Traurigkeit in mir. Das ist ein seltsames Gefühl so zweigeteilt zu sein. So war es auch in den ersten Tagen und Wochen nach der Transplantation. Ich denke oft an meine Spenderfamilie, an ihren Verlust und die Lücke, die ihr Angehöriger hinterläßt. Ich hoffe es geht ihnen gut und sie kommen einigermaßen klar.

Erst nach meiner Lungentransplantation habe ich gemerkt, wie eingeschränkt ich in den letzten Jahren gelebt habe. Natürlich ging das alles irgendwie - man gewöhnt sich daran und arrangiert sich mit der Situation. Aber diese vielen Freiheiten und Möglichkeiten, die ich jetzt habe, sind einfach unbeschreiblich.

Auf ins nächste Jahr!
Insa

Freitag, 10. März 2017

Wie geht es Dir?

In den letzten 20 - 30 Jahren hatte ich eigentlich immer nur eine Antwort auf die Frage: "Wie geht es Dir?" - und zwar: "Gut."
Dies hatte mehrere Gründe:
1. Es ging mir tatsächlich gut.
2. Es ging mir nicht gut, ich wollte aber nicht darüber reden.
3. Es ging mir nicht gut, aber ich hatte das Gefühl, dass eine wahre Antwort den Fragenden nicht wirklich interessiert hat.

Als ich dann auf die Warteliste für die Lungentransplantation kam, dachte ich mir, ein "Gut." würde jetzt nicht mehr glaubhaft sein und begann wahrheitsgemäß zu antworten. Auf die Frage: "Wie geht es Dir?" kam dann oft von meiner Seite ein: "Schlecht." Das war nun aber eine Antwort, die seltsamerweise niemand erwartet hat und das Gespräch war damit meist wieder beendet.
Manchmal kam es auch vor, dass mein "Schlecht." komplett überhört wurde, weil es diese Antwort so gar nicht im möglichen Antwortenkatalog in Erwägung gezogen wurde. Das Gespräch lief einfach so weiter, als hätte ich ein "Gut." geantwortet.
Foto aus dem Jahr 2013 (Fotografin Joanna Nottebrock)

Was mich aber bei manchen Begegnungen noch mehr irritiert hat, war, wenn sich mein Gegenüber, nachdem er/sie sich ausführlich über meinen gesundheitlichen Zustand informiert hatte, eine Zigarette anzündete nund mir den Rauch ins Gesicht blies. Hallo?! Hatte ich nicht vor einer Minute noch erklärt, wie schwer ich manchmal Luft bekomme? Scheinbar ist manchen Rauchern der Zusammenhang von Zigarettenrauch und Lungenerkrankung nicht wirklich klar...
Oder es kam zur zweiten Variante: Mein Gesprächspartner erzählte mir von seiner schweren Erkältung, die er/sie gerade so überlebt hatte (wahlweise ging es auch um irgendwelche gebrochenen Körperteile).

Vielen Leuten war es ein Bedürfnis am Ende unserer Unterhaltung einen versönlichen Abschluß zu finden, so à la: "Das wird schon wieder." Darauf wußte ich dann meinerseits keine Erwiderung, denn die Chancen auf der Wartelisten stehen nun mal 50:50.

Es ist echt schön, inzwischen voller Überzeugung nicht nur "Gut." sondern "SENSATIONELL gut!" antworten zu können.
Insa

Freitag, 3. März 2017

Gemeinsam sind wir stark

Ich möchte heute nochmal auf die Petition des Muko e.V. zurück kommen. Wir hatten vor kurzem darüber geschrieben und bestimmt habt Ihr auf dem einen oder anderen Wege vom Ergebnis der Petition gehört.  96.013 Unterschriften sind zusammengekommen! In Worten: Sechsundneuzigtausenddreizehn!!! Hammer!

Stephan Kruip und Birgit Dembski (links) haben die gesammelten Unterschriftenlisten an die Vorsitzende des Petitionsausschusses Kersten Steinke (DIE LINKE) übergeben
Fotograf: Oliver Ziebe

Das bedeutet dass "wir" am 6. März eine Anhörung vor dem Petitionsausschuß bekommen. Bei der Anhörung in Berlin kann man vor Ort dabei sein: 12 - 13 Uhr (Paul-Löbe-Haus (Europasaal), Raum 4.900, Konrad-Adenauer-Str. 1 in 10117 Berlin.). Anmelden könnt Ihr Euch unter Angabe von Namen und Geburtsdatum beim Sekretariat des Petitionsausschusse, Platz der Republik 1, 11011 Berlin (Tel: 030 / 227–35257, Fax: 030 / 227–36053, E-Mail: vorzimmer.peta@bundestag.de)
Das Ganze läuft aber auch im Live-Stream über www.bundestag.de

Ich finde es wirklich beachtlich was wir alle da zustande gebracht haben. Ich sage das hier mal ganz offen: ich hätte niemals gedacht, dass so viele Unterschriften zusammen kommen. Rein rechnerisch war die Sache vorher ganz einfach: bei 8000 Betroffenen müßte nur jede/r zehn Unterschriften sammeln und schon hätten wir 80.000 Unterzeichnungen gehabt. Aber Theorie und Praxis sind ja oft sehr verschiedene Sachen. Um so mehr freue ich mich, dass die Muko-Communitiy so aktiv war und gezeigt hat, was in ihr steckt.

Denn seinen wir mal ehrlich, so aktiv sind wir nicht immer.... es gibt zwar überall im Land Selbsthilfe- und Regionalgruppen, doch dort fehlt der Nachwuchs (jedenfalls von den Mukos selbst). Und oft ist es immer der gleiche Personenkreis, der aktiv ist. Das finde ich sehr schade.
Natürlich hat jeder das Recht sich aus allem rauszuhalten. Auch ich hatte einige Jahre, in denen ich von Selbsthilfetreffen etc. nichts hören wollte. Trotzdem war mir all die Jahre der Austausch mit anderen Betroffenen sehr wichtig und hat mir oft weitergeholfen.

Im Grunde genommen, haben wir doch alle mit dem gleichen Scheiß zu kämpfen. Die Eltern von Neudiagnositzierten sind erschlagen von der Therapie und den Hygieneregeln, die Muko-Teenager wollen möglichst normal sein (und dazu gehört eher selten Inhalieren, Tabletten stellen, Physiotherapie), die jungen Erwachsenen wollen in den Beruf oder ins Studium und die Welt kennenlernen und die Mukos, bei denen die Krankheit schon weiter fortgeschritten ist, wollen einfach nur über den Tag kommen.
Wenn man sich mit anderen Mukos unterhält ist es immer sehr beruhigend zu sehen, dass irgndwie alle ähnliche Probleme haben und man mit seiner Last nicht alleine ist.

Ich finde persönliche Gespräche und Treffen immer viel produktiver, als alles was die sozialen Medien so zustande bringen. Deswegen hier einfach mal mein Appell: Wenn Ihr unzufrieden seid, geht raus und macht was! Geht zu Eurer Regional- oder Selbsthifegruppe und verbündet Euch. Ihr seid nicht allein. Zusammen sind wir stark! Zusammen sammeln wir über 96.000 Unterschriften!!! Zusammen können wir was bewirken.

Haut rein!
Insa

P.S. Hier noch der Link zur Pressemitteilung des Bundestags zur nächsten Sitzung des Petitionsausschusses.