Freitag, 28. Juli 2017

Not macht erfinderisch

... das gilt sicher für alle chronischen Erkrankungen. Man entwickelt Tipps und Tricks, um durch den Alltag zu kommen. Da geht es natürlich zum einen um praktische Dinge: Manchmal muss halt ein Adapter von der künstlichen Ernährung herhalten, um zwei nicht aneinanderpassende Sauerstoffschläuche zu verbinden. Oder man kauft im Auslandsurlaub einen Reiskocher, weil man den Eierkocher / Vaporisator zum Sterilisieren des Inhalationskrams vergessen hat.

Doch es geht eben auch viel darum, die fortschreitenden körperlichen Einschränkungen auszugleichen, beziehungsweise zu vertuschen. Das soll gar nicht so negativ klingen und manches passiert vielleicht nicht mal bewusst. Je weniger Luft ich hatte, desto interessanter wurden Schaufenster, schöne Blumen oder andere Dinge die ich mir unbedingt noch einen Moment länger angucken muss. Natürlich geht es dabei nur darum, etwas länger stehen zu bleiben und wieder Luft zu kommen. Ich selbst habe immer schon gerne fotografiert und auch das war eine gute Ausrede immer öfter, immer länger stehenzubleiben. Ich erinnere mich, dass ich mit zehn, elf Jahren  meinem alten Puppenwagen dazu genutzt habe, Schulbücher den steilen Berg zu einer Schulfreundin zu transportieren. Später war es dann der Rollstuhl auf den ich alles – einschließlich Sauerstofftank – packen konnte.

So sind es manchmal von außen betrachtet nur kleine Erleichterungen, die aber für einen selbst einen riesen Unterschied machen. Auch jetzt nach der Transplantation  ist das ein Lebensmotto: Kann ich nicht, gibt es nicht - nur das WIE muss gut überlegt sein.
Durch meine Muskelschwäche und die Schmerzen von der Polyneuropathie, fällt es mir weiterhin schwer längere Strecken zu Fuß zu gehen. Als ich mit meiner Schwester jetzt in Büsum war, hatten wir es eigentlich gar nicht weit bis zum Deich und zur Innenstadt. Allerhöchstens einen Kilometer (das ich das mal sagen kann). Ich konnte diese Strecke auch zu Fuß gehen, aber es dauerte ewig und ich hatte gleich wieder starke Schmerzen. Die Lösung war ganz einfach: Ein Miet-Fahrrad – sogar eins ohne Motor, weil es dort kaum einen kleinen Hügel gibt! Während ich nun diese kurzen Strecken mit dem Rad gefahren bin, ist meine Schwester mit meinem  Rollator nebenher gegangen. So konnte ich dann zum Beispiel am Deich das Rad stehen lassen und mit dem Rollator weitergehen. Für Außenstehende mag es nicht so erscheinben, aber das war eine enorme Erleichterung und große Zeitersparnis.
Mein lohnendster Einkauf im Urlaub waren übrigens Wattschuhe! Wenn ich schon am Meer bin, möchte ich auch mit den Füßen ins Wasser, beziehungsweise ins Watt. Leider tut mir jede Unebenheit unter den Füßen furchtbar weh (wer schon mal auf einen Legostein getreten ist, kann sich das in etwa vorstellen), andererseits würde ich es ironischerweise nicht spüren, wenn sich ein Muschelschalensplitter in meinen Fuß bohren würden. Beide Probleme waren mit den Wattschuhen gelöst. Dann noch ein paar Walking-Stöcke für das Gleichgewicht und los ging’s … herrlich!!!
Moin!
Miriam

Freitag, 21. Juli 2017

Glücksmoment Nr. 5

In Hannover gibt es zur Zeit fast nur noch Baustellen. Egal wohin ich komme, es wird gegraben + gebaut. Davon sind nicht nur Autofahrer betroffen, sondern auch Fußgänger, Radfahrer und die Nutzer der öffentlichen Verkehrsmittel. Überall gibt es Straßensperrungen und Umleitungen.

Vor kurzem wollte ich mir nach einem anstrengenden Tag den Luxus gönnen und mit dem Bus nach Hause fahren. Allerdings war auch hier wegen einer Baustelle die Haltestelle verlegt worden. Ca. 100 Meter mußte ich weiterlaufen, um zur Ersatzhaltestelle zu gelangen. Auf diesen paar Metern war es wieder da: Das Glücksgefühl!
Wie kurz und wie unanstengend 100 Meter doch sein können! Vor meiner Transplantation wäre das eine richtige Herausforderung gewesen: Sowieso schon knapp mit der Luft, jeder Schritt eine mordsmäßige Anstrengung und dann nochmal Extra-Meter machen müssen. Da wäre ich ganz schnell am Ende gewesen.
Jetzt ging das alles federleicht - auch noch nach einem aktionsreichen Tag.
Das war ein schönes Gefühl.
Insa

Freitag, 14. Juli 2017

Vintage Lungen unterwegs Teil 2

Seit Monaten haben wir uns auf das Robbie Williams Konzert in Hannover gefreut. Zusammen mit noch einer transplantierten Muko-Freundin und drei weiteren Freundinnen sollte es eine weitere tolle Erinnerung werden. Vor Jahren war ich schon einmal bei Robbie, damals eher ein kleines Club-Konzert, nach seinem Ausstieg bei Take That. Da ich schon damals mit Rollstuhl und Sauerstoff zum Konzert bin, mussten wir am Seiteneingang auf Einlass warten. So kam es, dass Robbie uns "Guten Tag" gesagt hat und das wurde über die Jahre eine dieser immer wieder erzählten "weißt du noch"-Geschichten. :-)

Dieses Mal erzählen wir wohl eher "weißt du noch, als man keine Rucksäcke mit zum Konzert nehmen durfte". Ein paar Tage vor dem Konzert stieß ich zufällig auf genau diese Info. In diesem Jahr gelten nämlich besonders strenge Vorschriften und Einlaßkontrollen bei den großen Events. Als lungentransplantierter Konzertbesucher ist das echt ein Problem. Medikamente, Desinfektionsmittel, Insulin, Blutzuckertestgeräte und ähnliches sind das eine. Das andere ist, dass man nie weiß, ob es geschlossene Getränke zu kaufen gibt. Nach einer besortgen E-Mail an den Konzertveranstalter und den NDR (Mitveranstalter) dann die erlösende Nachricht: Uns wurde ausnahmsweise gestattet Rucksäcke mitzunehmen und sogar auch eigene Getränke. Vom NDR riefen sie sogar noch an um uns zu bestätigen, das wir in unserem speziellen Fall natürlich eine Ausnahme seien.


Es war auch alles sehr gut organisiert, was das Parken für "mobil eingeschränkte Personen" anging. Es wurde ein super schöner Abend mit Erasure und Robbie Williams :-) Das Stadion war voll, die Stimmung richtig gut und das Wetter spielte tatsächlich auch mit - alles blieb trocken. Das Konzert hätte gern noch länger gehen können, aber der Gute hatte Rücken. Ja, wir sind alle alt geworden ;-)

Let us entertain you!
Miriam

Freitag, 7. Juli 2017

Krankenhausroutine?!

Da geht man mal für drei Jahre nicht ins Krankenhaus und schon ist die ganze alte Routine weg! Kann das sein?
Für manche mag das seltsam klingen. Aber von 1982 bis 2014 war ich (mehr oder weniger regelmäßig) halbjährlich zu Antibiosen im Krankehaus - immer für mindestens 14 Tage. Seit ich mit der Spenderlunge lebe, brauche ich diese "Ausflüge" glücklicherweise nicht mehr zu machen.
Gefehlt hat mir das Ganze in den letzten drei Jahren nicht! Ganz im Gegenteil. Man hat ungewohnte Freiheiten, wenn man die Verschlechterung der Lunge und den nächsten Krankenhausaufenthalt nicht bei der Terminplanung bedenken muß. Und es war ein tolles Gefühl, als mir das erste Mal auffiel, wie lange ich schon nicht mehr stationär untergebracht war und wie schön es ist, wenn die Lungenfunktion über einen so langen Zeitraum stabil bleibt. Das hatte ich in meinem ganzen Leben so noch nicht gehabt.
Nun mußte ich wegen einer Darmsache für ein paar Tage in die Klinik.
Was hatte ich früher immer alles Sinnvolles eingepackt? Ich mußte lange überlegen... Gut, manches davon brauche ich heute nicht mehr, aber trotzdem... die Einpack-Liste war "weit unten" in meinen Erinnerungen vergraben.
Aber kaum hatte ich mein Zimmer und mein Bett bezogen, war dann alles beim Alten... auch wenn ich nicht dreimal täglich IV bekommen habe.
Witzigerweise sind dies IV-Gaben aber wohl fest in mir verankert. Als wir nachmittags einen Spaziergang machten, hatte ich des öftern den Gedanken pünktlich um 16 Uhr wieder auf Station sein zu müssen - also zur nächsten Antibiotikagabe!
Auch ist so ein Tag ohne dreimal täglich Tropf sehr viel länger, undurchstrukturierter und langweiliger... Wie gut, dass ich nach vier Tagen wieder entlassen wurde.

Eins ist aber nach wie vor gleich: Zuhause isses am Schönsten!
Insa