Freitag, 15. Juni 2018

Die Lebenden reparieren

Vorgestern war ich mal wieder im Kino. Zu sehen gab es den französischen Film "Die Lebenden reparieren", in dem es um Organspende geht. Die Filmvorführung wurde von der MHH-Studentengruppe "Aufklärung Organspende" organisiert, dazu gab es im Anschluss eine Podiumsdiskussion bzw. eher ein Podiumsgespräch zum Thema Organspende.

Ich hatte bislang nicht wirklich viel über diesen Film gehört (es ist die Verfilmung eines Buches) außer ein wenig Lob und habe mich deshalb sehr auf diesen Abend gefreut. Aber ich sage es gleich: Ich fand den Film eher enttäuschend.

Erstmal zum Inhalt: In "Die Lebenden reparieren" wird die Geschichte von zwei Familien erzählt. Da ist zum einen der 17-jährige Sohn eines Ehepaares, der nach einem Autounfall ins Krankehnaus eingeliefert wird. Dort werden schwerste Hirnschädiungen festgestellt. Beim Gespräch mit den Eltern erklären die Ärzte, dass die Schädigungen am Gehirn des Sohnes so schwer sind, dass dieser den Unfall nicht überleben wird. Dann kommen die Ärzte auf das Thema Organspende zu sprechen, da seine inneren Organe noch funktionieren und fragen nach, ob der Sohn eine Meinung zum Thema Organspende hatte. Die Eltern sind nach dieser Nachricht fix und fertig, sprechen sich gegen eine Organspende aus und verlassen das Krankenhaus.
Nun sieht man im Film eine Rückblende auf den Sohn und wie er seine Freundin kennengelernt hat. Das ist tatsächlich die schönste Szene im Film, die allerdings die Geschichte nicht wirklich weiter bringt...
Die Eltern kommen wieder ins Krankenhaus und sind nun für eine Organentnahme (allerdings möchten sie, dass er die Augen behält).
Im zeiten Teil wird die Geschichte der anderen Familie erzählt: eine herzkrankte Mutter (schätzungsweise um die 50) mit zwei erwachsenen Söhnen zieht in die Stadt in die Nähe ihres Krankenhauses. Wie das Ganze zeitlich zur anderen Geschichte einzuordnen ist, kann der Zuschauer dabei schlecht einschätzen. Der herzkranken Mutter wird von ihrer Ärztin gesagt, dass sich ihr Herzproblem verschlechtert hat und ihr nur eine Herztransplantation helfen kann.
Irgendwann dann bekommt die Ärztin den Anruf, dass ein Spenderherz für ihre Patientin zur Verfügung steht (nämlich das vom 17-jährigen).
In den folgenden Szenen sieht man die Vorbereitungen für die Organentnahmen und auf der anderen Seite die Vorbereitungen für die Transplantation. Die Entnahme-OP des Herzens und auch das spätere Einsetzen in den neuen Körper wird dabei sehr anschaulich und detailliert gezeigt.
In der Schlussszene öffnet die Herzpatientin die Augen... die Sonne kommt raus und scheint auf ihr Bett, sie lächelt.
Das wars.

Es hätte ein schöner Film sein können. Die Idee für diese beiden Geschichten ist wirklich gut. Aber leider wird das alles irgendwie "unrund" erzählt. Der Film ist wirklich sehr langsam und sehr ruhig erzählt und kommt ohne viel Dialoge aus. Ich denke, das ist für mich das größte Manko. Dadurch, dass sich die Protagonisten nur wenig unterhalten lernt der Zuschauer sie gar nicht richtig kennen und kann sich nur bedingt in sie hineinversetzen.
Wer diesen Blog etwas regelmäßiger liest, der weiß, dass ich seit meiner Lungentransplantation sehr nah am Wasser gebaut bin. Es braucht nicht viel um mich zum Weinen zu bringen. Bei diesem Film hatte ich nicht einmal das Gefühl ergriffen zu sein oder weinen zu müssen - und das bei diesem Thema. Das fand ich krass.

Das nächste Manko des Film sind für mich die fehlenden Schlüsselszenen. Warum ändern die Eltern ihre Meinung zum Thema Organentnahme/Organspende? Das wird überhaupt nicht gezeigt.
Wie kommt man in Frankreich auf die Warteliste? Ich gehe davon aus, dass es ähnlich wie bei uns ein längerer Prozess mit diversen Untersuchungen ist. Hier im Film lief das so:
Ärztin: "Ihr Zustand hat sich weiter verschlechtert... Sie wissen was ich ihnen sagen will?"
Herzpatientin: "Ja."
Ärztin: "Sie brauchen eine Herztransplantation."
Herzpatientin: "...Ich weiß nicht, ob ich mit einem Herz eines Toten leben will."
Ärztin: "...Sie müssen sich bald entscheiden."
Herzpatientin: "Ja."
Ärztin: "Gut. Sie müssen ab jetzt immer mit dem Handy erreichbar sein. Das ist wichtig."
Ende der Szene.
Das fand ich ein wenig schwach.

Komplett unrealistisch ist für mich das Ende des Film. Dabei wurde vorher fast alles sehr wirklichkeitsnah dargestellt. Gerade die Krankenhaus- und OP-Szenen fühlten sich echt an und waren so, wie ich sie auch beschreiben würde. Doch dann kommt dieser Bruch: Die Patientin öffnet nach der OP die Augen (dabei sieht sie sehr erholt aus), die Sonne kommt raus und scheint auf ihr Bett und alles, alles ist gut!? Hallo? Sonst noch was? Das passt so überhaupt nicht zusammen. Ich hätte es wirklich passend gefunden, wenn auch hier gezeigt worden wäre wie es wirklich ist. So ein Eingriff schlaucht. Und es ist nicht so, dass Patienten danach aus dem Bett hüpfen als wäre nichts gewesen.

Mich hat der Film leider nicht in seinen Bann gezogen. So wie die Personen dargestellt wurden, war alles ein wenig gewollt. Schade.
Es würde mich interessieren, ob dies nur mein Problem ist (weil ich in der Thematik zu Hause bin) oder ob es auch denen so geht, die sich mit Organspende noch nicht auseinander gesetzt haben.
(Ich habe mir dazu eine Kritik auf youtube angesehen und dort ist von einem "schnörkellosem Drama" die Rede, das einen "bis ins Mark berührt". Ok. Vielleicht sind meine Ansprüche einfach zu hoch?)

Wer sich den Trailer zum Film angucken möchte: 

Mit dem Film war jedoch der Abend noch nicht zu Ende. Es gab im Anschluss noch eine hochkarätig besetzte Podiumsrunde. Mit dabei waren ein Chirurg und ein Seelsorger aus der MHH, jemand von der DSO (Deutsche Stiftung Organstransplantation), ein Professor der Philosophie und eine Gegnerin der Organspende (eine Mutter, die vor 33 Jahren ihren Sohn zur Organspende freigegeben hat und dies seither bereut.)
In der Runde wurde (vom Chirugen) nochmal klargestellt, warum es überhaupt die Hirntod-Diagnostik gibt - und dies hat nichts mit Organspende zu tun. In den 1950er Jahren gab es viele Patienten, die z.B. nach OPs nicht mehr aufgewacht sind und auch nach längerer Behandlungszeit + Therapie keine gesundheitliche Besserung zeigten. Damit diese Patienten nicht mehr leiden müssen und auch um ihre Angehörigen nicht weiter im Unklaren zu lassen, haben Ärzte die Hirntod-Diagnostik eingeführt. Eine Diagnostik, die es den Ärzten und auch Angehörigen erlaubt die Geräte von schwerstkranken Patienen abzuschalten.

Ich fand auch interessant, dass es in anderen Länder eine viel offenere Diskussion über Organspende gibt. In Dänemark ist es selbstverständlich bei einem ersten Arztgespräch (egal was das gesundheitliche Problem ist) aufzuzählen: Das sind meine Allergien, dies sind meine Vorerkrankungen und ich bin Organspender.
Gerade in den skandinavischen Ländern ist dies ein alltägliches Thema mit dem sich die Menschen auseinandersetzten.
Vielleicht bekommen wir das auch noch hin.
Insa


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