Freitag, 14. August 2020

Abschied als Risikopatient während Corona

Kleiner Spoiler zu Beginn: Wenn wir hier im Blog über Abschied reden, geht es leider meistens um den Tod. Heute nicht!

Keine Umarmung, kein trösten


Mein Patenkind, 15 Jahre alt, ist vor ein paar Tagen für ein Jahr nach Irland geflogen. Seit Dezember hatten wir uns nicht mehr gesehen, auch an ihrem (vorläufigen) Schulabschluß habe ich nicht teilnehmen können. Was allerdings ironischerweise passt, denn zu ihrer Einschulung konnte ich damals auch nicht, weil ich gerade in der Reha in Belgien war. Aber wenigstens verabschieden wollte ich mich persönlich, wenn auch mit Abstand, Maske und großer Vorsicht. Das war richtig richtig blöd. Während ich in ihr Abschiedsbuch schrieb, kam sie zu mir und zeigte mir Abschiedsgeschenke und fing an zu weinen. Ich saß da und hätte sie natürlich so gern einfach in den Arm genommen. Aber wegen Corona ging das nicht, zu gefährlich. Ich bin dieses social distancing auf Grund meiner Erkrankung ja gewöhnt. Immer wieder gibt es Zeiten wo ich mehr Abstand halten muss und mit meinen Muko-Freunden sowieso. Und normalerweise schaffe ich es ganz gut mich zu arrangieren. Aber in solchen Momenten, wie mit meinem weinenden Patenkind (oder wenn ich meine engsten Muko-Freunde nicht umarmen und trösten darf) ist das einfach - Entschuldigung - zum Kotzen. In diesen Situationen möchte ich alle Vorsicht über Bord werfen und hab es so satt mich ständig kontrollieren zu müssen und immer abzuwägen was geht und was geht nicht. Solche Momente brechen mein Herz. Ich bin wütend, frustriert und vor allem unglaublich traurig.

Schuldgefühle


Jetzt mögen einige sagen "stell Dich nicht so an". Aber es geht nicht nur um mich. Wenn ich entscheide "sch... drauf" und nun zum Beispiel mein Patenkind umarme und knuddele, dann ist das zwar meine Entscheidung, aber sollte es mega blöd laufen und ich infiziere mich tatsächlich mit Corona, liege dann auf der Intensivstation oder sterbe sogar. Dann wird sich mein Patenkind furchtbare Vorwürfe machen und eine schreckliche Last ein leben lang mit sich tragen. Da kann ich noch so oft sagen "meine Entscheidung". Daher werde ich leider auch meine beste Freundin weitere Monate nicht sehen können, da sie im Einzelhandel arbeitet und - zu Recht - einfach viel zu viel Panik hat, mir was anzuhängen. 

Katzentisch


Normalerweise wollte ich dann auch weg sein, bevor die Großeltern zum Abschied kommen, aber der Grill roch echt gut und nach Monaten mal wieder Freunde sehen, war auch einfach zu schön. So habe ich mich trotz allem noch entschlossen "mit" zu Essen... in Entfernung, am extra Tisch (war das früher nicht immer der Kinder- oder "Katzentisch"?). Besser als nix, aber natürlich auch das für alle eine nicht einfache Situation. Ich saß im Grunde alleine und schnappte immer Mal einzelne Gesprächsfetzen auf und die anderen hatten ein schlechtes Gewissen weil sie mich "alleine" da sitzen lassen. Da ist es gerade lustig und schon wird es "komisch" weil da in der Ecke noch jemand sitzt. So kann man eine Party auch crashen. Dieses Foto ist für mich das persönliche Symbolbild zur Corona-Krise. 


Der Abschied


Der Abschied von meinem Patenkind war dann noch einmal ein richtig bescheuerter Moment. Luftküsschen, winken und gute Wünsche... ohne Umarmen und Knuddeln fühlt es sich einfach nicht richtig, nicht fertig an :-( . Ursprunglich hatte ich mal die Idee sie in Irland zu besuchen. Tja, das wird wohl leider auch nichts.

Na ja, das Essen war trotzdem lecker und ich bin trotz allem super glücklich das ich mal raus war und vor allem, dass ich zumindest persönlich Tschüß sagen konnte. Ich wünschte mir die ganzen Verweigerer, Ignoranten, Meckerer und Partyleute hätten in dieser Krise ein bisschen verstanden wie das ist und würden dankbarer sein am Leben und gesund zu sein - und mit angemessenem Verhalten helfen, dass auch Menschen wie ich wieder ein wenig am Alltag teilnehmen können.

Passt weiter gut auf Euch auf,
Miriam
 

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