Freitag, 26. Januar 2018

Wasserfälle

Wenn frau Immunsuppressiva nehmen muß (also Medikamente, die das Immunsystem unterdrücken), dann wird frau schnell zur Heulsuse. Jedenfalls haben Miriam und ich das festgestellt.
Ich habe es in einem früheren Beitrag schon einmal erwähnt ("Ist es warm?"). Es ist die veränderte Emotionalität, die in alle Richtungen ausschlägt und einen selbst total irritiert.

Unsereins heult nicht nur bei traurigen Anlässen oder traurigen Geschichten, die wir sehen oder hören oder lesen. Nein, auch bei schönen oder herzzerreißenden Geschichten, ist es ganz schnell vorbei mit uns. Bei schönen oder traurigen Liedern. Beim Happy End im Film - oder eben dem Nicht-Happy End. Manchmal reichen schon Tierfilme...
Und dann? Wasserfälle.

Teilweise ist es wirklich befremdlich, wenn ich so emotional reagiere. Und es hilft auch nicht wirklich weiter, wenn man z.B. jemandem gerade seinen Lebensweg kurz umreißt und dann von seinen Gefühlen überrannt wird. Ich hasse es, wenn ich bei einem Vortrag über Organspende oder meiner Transplantation auf einmal eine total weinerliche Stimme bekomme und kurz davor bin auf der Bühne loszuheulen. Sowas muß doch nicht sein.
Leider habe ich bislang noch kein Strategie oder Lösung dafür entwickelt. Selbstbeherrschung, die früher kein Problem war,  muß ich jetzt wieder mehr üben..

Bleibt tapfer,
Insa

Freitag, 19. Januar 2018

Achtung, Polizeikontrolle

Letzte Woche war ich mit meinem Patenkind auf einem Konzert und kam erst gegen Mitternacht nach Hause - und das mitten in der Wochc. Um diese Zeit ist meine Kleinstadt quasi ausgestorben. Ein paar Hundert Meter vor meinem Zuhause, fuhr mir jemand total dicht auf. Ich schwankte noch zwischen "Idiot" und "was will der", da leuchtete schon auf: STOPP Polizei. Es ist ja wirklich verrückt, ich hab mich sofort schuldig gefühlt und überlegt was ich flasch gemacht haben könnte oder ob etwas mit meinem Auto nicht in Ordnung ist. War dann aber zum Glück nur eine eine Routinekontrolle. Zum Abschluss die Frage, ob ich denn Alkohol getrunken habe vor der Fahrt - natürlich nicht. Ich konnte die letzten Meter nach Hause fahren und hatte dieses Klischeebild im Kopf, wie Leute auf der Straßenmarkierung balancieren müssen, um zu beweisen, dass sie nüchtern sind. In dem Fall wäre ich geliefert gewesen. Ich schwanke inzwischen dermaßen beim Laufen hin und her, das sieht verboten aus! Es liegt aber an meinen Gelenk- und Muskelproblemen. Ob die Polizei mir das geglaubt hätte? Na wenigstens hätte ich jetzt in das berühmte Röhrchen pusten können. Das wäre vor der Transplantation nicht möglich gewesen. Einem Freund von mir ist das tatsächlich passiert. Seine Lungenfunktion reichte für den Test einfach nicht mehr und so musste er mit der Polizei mit zur Blutkontrolle.
 (Foto: TechLine, www.pixabay.com)

Dazu fällt mir noch eine ganz alte Geschichte ein: Vor etwas mehr als 20 Jahren ging eine Muko-Freundin von mir einen Tag nach der Entlassung aus dem Krankenhaus in die Disco. Sie war extrem dünn und hatte gerade zwei Wochen IV (inravenöse Antibiotika) hinter sich. Das bedeutet, man bekommt drei mal am Tag Infusionen. Normalerweise legt man dafür eine Nadel in eine Vene, die ein paar Tage liegen bleiben kann. Bei meiner Freundin waren die Venen aber zu schlecht und man musste drei mal am Tag mit einer kleineren Nadel stechen, die nach der Infusion wieder gezogen wurde. Zurück zu dem Abend in der Disco: Es gab eine Drogen-Razzia und mitten drin nun meine "ausgezerrte" Freundin mit völlig zerstochenen Armen .... . Die vermeindliche Ausrede "Ich komme gerade aus dem Krankenhaus." half nicht und sie musste mit auf die Wache, bis ihre Eltern mit dem Entlassungsbericht ihre Version bestätigten.

Lasst das Wochenende ruhig angehen und immer dran denken: "Don't drink and drive" & "Don't text and drive"!
Miriam


Freitag, 12. Januar 2018

Zu Fuß unterwegs

Vor kurzem habe ich es wieder getan. Ich habe mir meine Jacke, Mütze und Schal geschnappt, bin raus und einfach losgelaufen. Zu Fuß. Einfach so.
Ohne einen schweren Sauerstofftank auf dem Rücken. Ohne Begleitung, die meinen schweren Sauerstofftank trägt.
Ohne Atemnot und Hustenattacken unterwegs.
Ohne kurzen Pausen zwischendurch, um mal kurz durchzuatmen. (Ohne sich über rote Ampeln zu freuen, weil diese kurze Pausen ermöglichen.)
Ohne vorher zu inhalieren oder auf Inhalierzeiten achten zu müssen.
Ohne zu überlegen, wie weit ich es schaffe oder wann ich umkehren sollte. Ohne über Bushaltestellen nachzudenken, an denen ich notfalls einsteigen und nach Hause fahren könnte.
Ohne sicherheitshalber zurück zu gehen, weil ich sonst keine Atemtherapie und/oder Ergometer-Einheit mehr schaffe.
Einfach so.

Das war richtig schön. So entspannt und frei.
Auch dreieinhalb Jahre nach der Lugentransplantation wundere ich mich immer noch manchmal, was ich inzwischen machen kann. Das finde ich gut.

Das Leben ist schön.
Insa


Freitag, 5. Januar 2018

An der Fußgängerampel

Manchmal frage ich mich ja schon: "Warum gerade ich?! Womit habe ich das verdient?!"
Ganz im Ernst, ich weiß wirklich nicht warum... aber ich werde ganz oft von wildfremden Menschen irgendwo unterwegs vollgequatscht.
Vielleicht ist es mein Aussehen? Oder ich bin nur zur falschen Zeit am falschen Ort? Keine Ahnung. Es nervt nur manchmal so...

Ich stehe an einer roten Fußgängerampel und warte auf Grün. Da kommt eine Omi auf dem Fahrrad, stoppt und fängt an mir ihre Lebensgeschichte zu erzählen (schon 92 Jahre alt - fährt noch täglich Fahrrad - hatte schwere Herz-OP - Tochter wohnt in Hamburg - man muß das Leben nehmen wie es kommt - ja ja...).
Meistens bin ich dann ein freundlicher Mensch, sage: "Ach was... ja.... hmmm.... wie schön oder oje..." und wünsche dann noch einen schönen Tag. Aber manchmal überkommt es mich auch. Vor allem, wenn ältere Menschen meinen mir ihre Krankheitsgeschichte erzählen zu müssen und wie schlecht es war oder ist - weil es mir ja so gut geht, schließlich stehe ich hier einfach so rum. Dann hole ich mal kurz Lust und berichte in Stichworten von meinen letzten Jahren. Oft ist das Gespräch danach ganz schnell vorbei oder mein Gegenüber ist schwerst beeindruckt ("Was heute alles so möglich ist." und "Das sieht man ihnen gar nicht an.").
(Foto: Felix_Berz, www.pixabay.com)

Ganz schlimm ist es wenn man den Leuten nach Wochen nochmal begegnet, sie sich aber an das erste "Treffen" nicht mehr erinnern und mir dann nochmal alles erzählen wollen.
Alles schon passiert.

Vielleicht sollte ich grimmiger gucken wenn ich unterwegs bin? Aber das will ich eigentlich nicht...
Also werde ich wohl weiter die Geschichten und Schicksale von Menschen erfahren. Ab und an ist ja auch ganz interessant und z.B. eine Busfahrt durch die Stadt kann einem dadurch sehr viel kürzer vorkommen.
Insa

P.S. Eins wollen wir natürlich nicht vergessen: Wir wünschen Euch allen ein frohen, gutes und gesundes neues Jahr. :-)