Freitag, 25. Oktober 2019

Fühle ich mich schuldig?

Nachdem ich neulich von einer Transplantierten hörte, dass sie Schuld empfindet gegenüber der Spenderfamilie und ich auch immer mal Kommentare lese mit dem Tenor "Du willst das ein anderer Mensch stirbt" und noch schlimmere Dinge, möchte ich mich heute mal mit diesem schweren Thema befassen.

Fühle ich mich also schuldig? Nein! Auch wenn ich das vor der Transplantation manchmal befürchtet hatte, weil ich ZU mitfühlend sein kann. Ich fühle mich nicht schuldig, aber ich bin traurig. Traurig, dass jemand gestorben ist, der Familie und Freunde hinterlässt, die sie/ihn vermissen. Ein paar Tage nach meiner Lungentransplantation hatte ich einen Tag, an dem es mir rechnerisch möglich schien, das an diesem Tag die Beerdigung meines Spenders/meiner Spenderin sein könnte und habe viel geweint. Ich habe selber schon so viele liebe Menschen gehen lassen müssen und weiß wie weh das tut, wie schwer es ist mit diesem Verlust zu leben... weiterzuleben. Und ich wünsche das niemandem! Trotzdem ist es leider das Leben, die Realität und wenn wir lieben, gehört dieser Schmerz traurigerweise zum Leben dazu. An einigen Tagen ist das leichter und an einigen Tagen (gerade am Anfang) ist da dieses Gefühl, nie wieder glücklich sein zu können. Das alles kann ich zulassen, auch in Gedanken an meine Spenderfamilie, immer verbunden mit den Wünschen und der Hoffnung, dass sie "gut" durch diese schwere Zeit gekommen und wieder glücklich sind und an die schönen Zeiten mit ihrem geliebten Menschen zurückdenken können.

Schuldig? Nein. Ich versuche es eher so zu sehen, dass ich einen Teil eines geliebten Menschen am Leben erhalte, so wie es mich am Leben erhält. Wir sind nun eins, auch wenn ich nie vergesse welch großartiges Geschenk (oder Leihgabe?) es ist und meine Spenderfamilie immer in meinen Gedanken sein wird. Und ich hoffe so sehr, dass auch sie ein bisschen Trost in dem Gedanken finden, dass der furchtbare, unausweichliche, unfaire Tod ihres geliebten Menschen nicht völlig umsonst war, sondern mein (und vielleicht noch viele andere) Leben gerettet hat und ein Teil von ihm/ihr mit mir weiterhin die Welt erkundet, wertgeschätzt wird und nicht vergessen ist.

Eigentlich wäre dies ein schöner Schlusssatz gewesen, aber eins noch: Insa und ich schreiben oft von der Dankbarkeit und auch davon, dass wir gut auf dieses Geschenk aufpassen werden.
Es gibt aber auch Patienten (gerade jüngere), die das als unglaublichen Druck empfinden dankbar sein zu MÜSSEN. "Mach dies oder jenes nicht... Du musst auf Dein Organ aufpassen, denk doch an den Spender...". Von außen wird wohl niemand verstehen, was solche Sätze auslösen können. Für mich persönlich ist es schon so, dass ich meine zweite Chance wertschätze und "versprochen" habe mich gut um die Lunge zu kümmern. Andererseits ist das doch aber selbstverständlich, weil mein Leben davon abhängt. Ich selbst empfinde das aber nicht als Druck oder Zwang. Und die Gedanken an meine Spenderfamilie sind so "normal" wie Gedanken an andere Menschen die nicht mehr in meinem Leben sind. Manchmal mehr (gerade im ersten Jahr, an Jahrestagen, ...) und manchmal weniger. Jeder muss seinen eigenen Weg finden, mit dem neuen Organ eins zu werden. Aber Schuld ist wirklich das Letzte was ein Transplantierter empfinden sollte.

Passt gut auf Euch auf (auf alte, neue, geliehene, geliebte und gehasste Teile),
Miriam



Freitag, 11. Oktober 2019

Ein "Geradehalter"

Eigentlich bin ich niemand, der auf Anzeigen im Internet reagiert... aber diesmal ist es passiert und und ich habe aufgrund einer Online-Anzeige etwas gekauft. Auf Instagram habe ich vor einiger Zeit diesen "Geradehalter zur Haltungskorrektur" gesehen.
Da ich als Muko seit vielen Jahren Probleme mit der Haltung / dem Rücken habe, dachte ich mir, es wäre vielleicht eine gute Idee das Teil einmal auszuprobieren. Für knapp 20 Euro war es mir den Versuch wert.
 

Testlauf


Die Lieferung hat etwas länger gedauert, weil das Teil tatsächlich aus Asien kam.... und dementsprechend für Asiaten (also eher zierliche Menschen) gemacht ist.
Das Anlegen des Geradehalters ging ganz gut - es hat aber etwas gedauert, bis ich einigermaßen die richtige Länge für mich eingestellt hatte.
Was mir gar nicht gefiel war, dass die Gummibänder (natürlich) recht stramm sitzten und damit in die Achselhöhlen drücken/schneiden. Das fand ich auf Dauer unangenehm. Außerdem schliefen mir dadurch nach einiger Zeit die Arme ein....(und zu locker darf das Teil nicht sitzen, dann hat man keine Korrektur).

Fazit


Insgesamt war es einen Test wert, aber für mich ist das Teil nichts. Meine Problemzone (oder wie meine Physio immer so schön sagt: meine Sollbruchstelle) an Schulter/Rücken ist leider etwas tiefer. D.h. das Ding sitzt bei mir einfach zu hoch.
Soweit ich weiß, haben viele Mukos diesen Problembereich. Nach vielen Jahren Dauerhusten und eingeschränkter Lungenfunktion sucht sich der Körper irgendwann eine Schonhaltung...

Habt Ihr solche Geradehalter schon einmal ausprobiert? Oder etwas anderes in dieser Art? Ich würde mich sehr über Rückmeldungen und Erfahrungsberichte freuen.
Insa


Freitag, 4. Oktober 2019

Ich bin so alt, ich....

Ihr kennt doch sicher alle diese Sprüche oder Bilder: „Ich bin so alt, ich ….“. Also z.B. „Ich bin so alt, ich kenne noch das Testbild / unsere Telefone hatten noch Kabel + Wählscheibe / damals gab es kein Internet...“
Inzwischen erwische ich mich immer häufiger dabei, die Muko-Variante davon zu benutzen, bzw. von „früher“ zu erzählen. Da fühle ich mich so richtig alt, wenn junge Mukos keinen Plan mehr haben, wovon ich spreche, denn in den letzten drei Jahrzehnten hat sich sehr viel in der Mukoviszidose-Therapie geändert. Hier sind so ein paar Muko-ich-bin-so-alt-Beispiele:

Ich bin so alt,
  • ich lag noch im Nebelzelt
  • ich durfte noch in Pfützen springen und mit Matsch spielen
  • ich habe noch Bronchographien mitgemacht (siehe Fußnote)
  • ich durfte kein Fett essen - es gab keine guten Enzyme (und wenn dann nur Granulat)
  • ich wurde noch abgeklopft und hatte ein Klopfgerät
  • mein Pari (Inhalationsgerät) war rund / grau 
  • ich hatte noch Sauerstoffdruckflaschen
  • ich musste noch bis Belgien fahren um eine „neue“ Atemtherapie zu lernen
  • die meisten Ärzte kannten Mukoviszidose gar nicht
  • ich musste meine IV-Therapie noch im Krankenhaus machen (als es die endlich gab)
  • ich durfte mit anderen Mukos in einem Zimmer schlafen
  • mir wurden die IV-Antibiotika noch pur gespritzt
  • ich musste jede halbe Stunde ins Ohr gepiekst werden um die Sauerstoffsättigung zu messen
 Sketchnote: Insa Krey :-)
 
Erkennt sich vielleicht jemand von Euch hier wieder? Was verbindet Ihr mit „früher“, was heute unbekannt oder verschwunden ist?

Eure Muko-Oma
Miriam

P.S.: Danke Insa für diese tolle Sketchnote.. :-)

Was ist eine Bronchographie:
Es fängt an wie eine normale Lungenspiegelung (Bronchoskopie), es wird ein flexibler Schlauch über Nase oder Mund in die Luftröhre geschoben. Aber anstatt nur zu gucken, werden Teile der Lunge mit Kontrastmittel gefüllt um die Atemwege auf dem Röntgenbild sichtbar zu machen. Daran ließ sich zum Beispiel erkennen, welche Teile der Lunge nicht mehr belüftet sind. Ich glaube nicht, dass das heute noch gemacht wird. Ohne das genau nachrecherchiert zu haben, schätze ich, dass CTs und MRTs diese Untersuchung abgelöst haben. Mir wurde 1985 ein Teil der rechten Lunge entfernt. Vor der OP bekam ich zwei Bronchographien. Erst wurde die eine Seite der Lunge "gefüllt", danach musste ich das Zeug ein paar Tage raushusten und dann kam die andere Seite dran. Nicht angenehm. Aber wenigstens noch mit Narkose :-)