Freitag, 23. Februar 2018

Erinnerungsmomente

Am Mittwoch lief im Fernsehen mal wieder "Akte X". Mein Mann mag diese Serie und so haben wir reingeschaltet. (Eigentlich gefällt mir Sci-Fi überhaupt nicht. Aber wie das in einer Ehe so ist - bei manchen Sachen macht/guckt man einfach mit. Ich kenne dementsprechend Mulder und Scully, ich kenne Captain Janeway und Neelix und ich kenne Dr. Who... Dafür weiß mein Mann, der sich eigentlich überhaupt nicht für Fussball interessiert, wie es um unsere Nationalmannschaft und Hannover 96 steht. Aber ich schweife ab...)
Zurück zu "Akte X".
Immer wenn ich den alten Vorspann von "Akte X" sehe, erinnert er mich an meine Freundin Sandra. Sie verstarb vor 18 Jahren und war ein sehr, sehr großer Akte X-Fan. Wenn wir also die alten (oder neuen) Folgen der Serien gucken, sitzt Sandra neben mir auf dem Sofa und ist mit dabei. Das ist schön.

Bei einer anderen Freundin sind die "Erinnerungsstücke" Kokos und das Musical "Cats". Meine Freundin Michaela war die erste enge Muko-Freundin, die ich hatte. Wenn wir zusammen über den Jahrmarkt gingen, dann holte sie sich immer ein Stück frische Kokosnuss. Sehe ich heute irgendwo eine Kokosnuss liegen oder entdekce tatsächlich mal wieder so einen Stand auf dem Jahrmarkt, dann denke ich sofort an Michaela. Sie verstarb schon vor fast 30 Jahren. Ich war damals 15 oder 16 Jahre alt und manchmal ist das Leben oder das Schicksal ja echt ein mieses Stück....
Meine Mutter und ich hatten damals Karten für das Musical "Cats" in Hamburg. Ich hatte mich seit Wochen darauf gefreut. Alle haben damals von diesem Musical geredet - es sollte so toll sein. Nun endlich würde ich es auch erleben dürfen.
Am Morgen des Musicalbesuchs klingelte das Telefon und wir erfuhren die traurige Nachricht von ihrem Tod. Ich hatte nicht damit gerechnet.
Wir sind nach Hamburg gefahren und auch in "Cats" gegangen - ich habe aber so gut wie keine Erinnerung daran. Ich fühlte mich sehr leer und unfähig irgendwas aufzunehmen. Am Schlimmsten war der Moment in dem "Memory" gesungen wurde - das war Michaelas Lieblingslied. Ich konnte es jahrelang nicht ertragen dieses Lied zu hören. Das hat sich inzwischen, nach 30 Jahren, immerhin etwas gelegt.

So ist das mit den Erinnerungsmomenten. Sie kommen manchmal unerwartet aus dem Nichts. Aber es ist auch gut, dass es sie gibt. Ich mag es an meine alten Freundinnen erinnert zu werden. Schließlich haben wir viel zusammen erlebt und durchgemacht.
Insa

Freitag, 16. Februar 2018

Aufklärung Organspende

In dieser Woche hat die Niederlande (nach langer Debatte - aber das ist bei so einem Thema auch angebracht) ihr Gesetz zur Organspende geändert. Ab 2020 ist jeder volljährige Bürger automatisch ein Organspender. Wer dies nicht möchte, muß vorher aktiv widersprechen.
Diese Widerspruchsregelung gibt es schon in anderen Ländern wie z.B. Österreich und Spanien. In Deutschland  haben wir dageben die Zustimmungslösung. Die Menschen hier müssen zu Lebzeiten einer potentiellen Organspende (z.B. durch Ausfüllen eines Organspendeausweises) zustimmen. Da sich vielen Leute nicht so gerne mit diesem Thema auseinander setzen bzw. das Thema Tod vermeiden, haben wir in Deutschland sehr schlechte Organspendezahlen.

Was hilft? Aufklärung natürlich.
Deswegen habe ich auch nicht gezögert, als ich eine Anfrage von der Studentengruppe "Aufklärung Organspende" der Medizinischen Hochschule Hannover hatte. Diese Gruppe organisierte für Januar und Februar diesen Jahres fünf verschiedene Vorträge zum Thema Organspende. Ziel der Veranstanstaltungreihe war neutral, unabhängig und sachgerecht über den Themenkomplex Organspende aufzuklären. Dazu gab es u.a. einen Vortrag über den Hirntod und seine Feststellung oder einen Einblick in die Arbeit und die Abläufe im Eurotransplant-Vermittlugsbüro der MHH.

Bei der letzten Veranstaltung war ich mit dabei - es ging um den Themenschwerpunkt "Erfahrungen von Angehörigen eines Organspenders, Transplantierten und Wartenden". Dazu hatte ich einige Fotos aus meinem alten und dem neuen Leben und auch ein paar Fotos aus den ersten Tagen nach der Transplantation dabei. Ich hoffe, dass ich gut deutlich machen konnte, wie schlecht es mir in den Jahren vor der Transplantation ging und wie sehr sich mein Leben jetzt durch die Organspende zum Positven verändert hat.
(Vor kurzem habe ich hier ja über Wasserfälle geschrieben - und ich war wirklich sehr, sehr froh, dass ich diese Präsentation ganz ohne zittige Stimme und Heuleinlagen über die Bühen gebracht habe... Geht doch.)

Sehr beeindruckt hat mich an diesem Abend der Auftritt eines Ehepaares. Vor ein paar Jahren erlitt ihr Sohn einen allergischen Schock. In den Tagen danach wurde leider klar, dass keine Genesung eintreten und er nicht mehr aufwachen wird. Die Familie hat sich in dieser Situation für eine Organspende entschieden. Diese Geschichte hat mich sehr berührt.
Ca. fünf Jahre nach der Organspende bekamen sie von der Empfängerfamilie des herztransplantierten Mädchens einen Dankesbrief. (In Deutschland ist der direkte Kontakt zwischen Spenderfamilie und Empfänger gesetzlich nicht erlaubt. Der Briefkontakt läuft über die DSO und alle Daten werden dabei anonymisiert. Die Spenderfamilie bekommt aber, wenn sie es möchte, jedes Jahr die Informationen wie es den Organempfängern geht. Sie erfahren dabei auch ob es sich dabei um junge oder alte Menschen, Männer oder Frauen handelt.) Diesen Dankesbrief trägt die Mutter immer bei sich und es ist ihr größter Schatz.
Meinen Dankesbrief habe ich vor ein paar Monaten geschrieben. Es ist schön zu wissen, dass man mit diesem Zeichen der Dankbarkeit der Spenderfamilie tatsächlich Trost spenden bzw. eine Hilfe geben kann.

Inzwischen ist es in Deutschland aus Datenschutzgründen nicht mehr gestattet einen Dankesbrief für die Familie zu schreiben. Das fanden alle Beteiligten in der folgenden Diskussionsrunde sehr traurig. Es soll stattdessen eine Webseite und/oder ein Buch mit allen gesammelten Dankesbriefen (pro Jahr) von Organempfängern geben.
Manchmal ist der Datenschutz schon ein Hindernis...
Insa


Freitag, 9. Februar 2018

Das Leben passiert für Dich

Ich habe hier bei Mukomania schon ein/zwei Mal meine Blogger-Freundin Denise Yahrling erwähnt. Denise hat auch Mukoviszidose und betreibt den Blog "Travelous Mind". Dort erzählt sie von ihren Reisen und ihre Sicht auf das Leben. Nun hat Denise ihr erstes Buch veröffentlicht: "Das Leben passiert für Dich - Mit Mukoviszidose und Rucksack um die Welt".

In ihrem Buch schreibt Denise über ihre allererste Backpacker-Reise (zwei Monte) allein nach/durch Spanien und Portugal (und noch weitere Reisen z.B. nach Mexiko oder Marokko), dazu erfährt man einiges über ihre Familie und ihr bisheriges Leben. Ganz offen und ehrlich erzählt Denise ihre Geschichte und läßt uns an allen Gedankengängen, Zweifeln oder Gefühlen teilhaben. Dieses macht das Buch sehr authentisch.
Doch es sind nicht nur die Reisen in ferne Länder, worum es hier geht. Es handelt auch von der inneren Reise - wie Denise zu sich selbst und ihrem Glück findet. 

In einigen der geschilderten Szenen oder Gefühlen konnte ich mich wiederfinden.
Eine Sache, die Denise sehr beschäftigt hat war z. B. die Zeit. Sie hatte oft das Gefühl nicht genug zu machen und die Tage nicht vollkommen auszunutzen - schließlich hat man mit Mukoviszidose eine eingeschränkte Lebenserwartung. Dementsprechend muß man alles in die Zeit stecken, die einem verbleibt. Diese Gedanken hatte ich vor meiner Transplantation nicht - aber tatsächlich danach. Zeitweise habe ich das Gefühl, es meinem Organspender schuldig zu sein, jetzt alles zu machen und nachzuholen, was vorher nicht möglich war. Damit kann ich mich ganz wunderbar selber stressen - allerdings nicht so heftig wie Denise dies machte. Manches Mal wollte ich ihr beim Lesen zurufen: "Mädel, entspann Dich! Du hast schon so viel erreicht. Freu Dich und genieß es!" Aber irgendwann kommt sie dann von selbst drauf. :-)


Für Denise war diese erste Reise, die sie allein unternahm, so etwas wie eine Initialzündung. Der Trip hat ihr die Augen geöffnet und ihr verdeutlicht, was sie im Leben tatsächlich will. Sie hat ihr Leben geändert und ihren Traum verwirklicht: sie wurde eine digitale Nomadin.
Dazu ist ihr eine ganz besondere Erleuchtung gekommen: Mukoviszidose ist nicht nur Einschränkung und schwerer Schicksalsschlag. Das Leben ist ein großes Geschenk - egal was wir für ein Päckchen tragen. Wir können und sollten in jeder Situation etwas Gutes erkennen.
Jeder von uns kann ein erfülltes Leben haben. Da bin ich ja ganz auf ein einer Wellenlänge mit ihr.

Denise ist knapp 20 Jahre jünger als ich - sie ist sozusagen eine andere Muko-Generation. Dementsprechend fand ich Ihre Aussage sehr interessant, dass Anfang der 90er Jahre (als Denise diagnostiziert wurde) die Krankheit Mukoviszidose noch nicht so erforscht war. Ganz ehrlich: in den 90ern waren wir schon total weit. (Ich darf das sagen, weil ich die 20 Jahre vorher miterlebt habe...)

Das Buch ist gut schrieben und man kann es so "weglesen". Die Reisegschichten werden zwischendurch immer wieder aufgelockert durch Tagebucheinträge oder Erzählungen aus ihrer Kindheit oder Jugend.
Es gab beim Lesen tatsächlich nur eine Sache, die mich gestört hat. Beim Layout wurde der Mittelfalz des Buches nicht wirklich bedacht und die Zeilen gehen sehr weit in die Mitte des Buches - also sehr nahe an den Innenknick und erschweren damit das Lesen. Das ist aber schon mein einzige Kritikpunkt.

Das Buch "Das Leben passiert für Dich" wurde im Selbstverlag und durch Crowdfunding finanziert. Davor habe ich großen Respekt und ich freue mich sehr für Denise, dass diese Aktion so toll funktioniert hat (inzwichen gibt es das Buch sogar als Hörbuch - von ihr selbst gesprochen).

Ich glaube diese Buch kann tatsächlich den einen oder anderen Muko inspirieren. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es hilft, wenn man sieht/liest, wie andere ihr Leben mit/trotz dieser Krankheit meistern.
Und ich fand gut, dass Mukoviszidose eher eine untergeordnete Rolle spielt. Trotzdem gibt es immer mal wieder schöne Anekdoten, z.B. wie es ist, wenn in Mexiko auf einmal das Lungen-Spray leer ist und Ersatz her muß...

Viel Spaß beim Lesen (oder Hören),
Insa

www.daslebenpassiertfuerdich.de




Freitag, 2. Februar 2018

Lebensunwertes leben

Eine kleine Warnung vorweg, heute geht es in unserem Blog um ein düsteres und trauriges Kapitel der deutschen Geschichte. Der 27. Januar ist der "Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus". Jetzt mögen sich einige fragen, was das hier in einem Blog über Mukoviszidose und Lungentransplantation zu tun hat. Dem Nazionalsozialismus fielen Menschen zum Opfer, die nicht in die verquere Idee einer "Herrenrasse" passten: Juden, Roma und Sinti, politisch anders Denkende, Künstler und viele weitere. So auch physisch und psychisch kranke Menschen. Da reichte auch schon mal eine Lernschwäche. Der Genpool sollte auf keinen Fall durch solche Menschen verunreinigt werden und neben Massensterilisationen wurden daher auch gezielt und organisiert kranke Menschen umgebracht. Man geht von etwa 200.000 Opfern aus. Dafür wurden Tötungsanstalten mit Gaskammern eingerichtet, aber auch Nahrungsentzug oder Medikamentenüberdosierungen waren probate Mittel "solche" Menschen loszuwerden. Öffentlich sprach man über einen "Gnadentod" und einen "Akt der Erlösung" - unglaublich. Eine Rechenaufgabe im Unterricht zur Zeit des Nationalsozialismus lautete: 125 Mark sind die Ausgaben für ein gesundes deutsches Schulkind. Um wie viel Prozent teurer kommt dem deutschen Volk ein Geisteskranker oder Krüppel?".

Dieses ganze Thema Krieg und die damit verbundenen Ungerechtigkeiten hat mich als Kind wahnsinnig interesssiert und beschäftigt. Zum einen einfach weil ich schon immer ein sehr empathischer Mensch bin (manchmal etwas zu empathisch) zum anderen war mir irgendwie klar, dass ich solch einen Krieg nicht überleben würde. Selbst wenn ich nicht dem "Gnadentod" zum Opfer gefallen wäre, hätte es ja keinen Strom zum Inhalieren gegeben. So hab ich mir auch Konstruktionen überlegt, wie das ohne Strom funktionieren könnte - zum Beispiel ein großer Luftballon den man an das andere Ende des Inhalier-Schlauches befestigt (Überraschung, es funktioniert nicht!).

Leider erinnere ich mich aber auch an Begebenheiten, wo selbst mir noch schlimme Dinge gesagt wurden, weil ich genetisch nicht "normal" bin. Eine Situation war an einem Muko-Infostand Anfang oder Mitte der 80er Jahre, wo ein alter Mann auf diesen Stand zu kam und schrie: "Euch hätte man früher einfach erschossen." Und weg war er.
Aber selbst in der Schule konnte ich mir im Hauswirtschaftsunterricht der 10. Klasse von der Lehrerin einen Vortrag über "natürliche Auslese" anhören, in Verbindung mit der Verteufelung von Organtransplantationen. Das alles aus dem nichts heraus. Ich war so perplex und geschockt, dass ich mich gar nicht wehren konnte. Ein Mitschüler warf ein, ob sie auch so reden würde, wenn es dabei um ihr Kind ginge. Nützte natürlich nichts, aber ich war ihm dafür unglaublich dankbar.
Oder ich denke an einen Arzt, der noch vor etwa zehn Jahren im Anamnesegespräch darauf bestand: "Der Vater hat keine Schuld." Äh...meine Mutter (die daneben saß) auch nicht.

Wir glauben immer, dass solche Diskriminierungen und diesses Gedankengut veraltet und ausgelöscht ist. Und zum großen Teil ist das glücklicherweise auch so. Manchmal sind wir aber näher an dem Thema "lebensunwertes Leben" als wir denken. In Deutschland ist es theoretisch bis zur Geburt möglich ein krankes / behindertes Kind abzutreiben. Offiziel nicht weil das Kind beeinträchtigt ist, sondern weil der Mutter ein unzumutbarer seelischer Schaden droht.

Zum Abschluß ein Nachtrag zur Euthanasie im Dritten Reich direkt auf Mukoviszidose bezogen: Erst zwischen 1938 und 1944 wurde Mukoviszidose als eigenständiges Krankheitsbild erkannt und benannt. 1949 wiederum wurde erstmalig publiziert, dass es sich um eine Erbkrankheit handelt. Zudem sind zur dieser Zeit Betroffene schon im Säuglings- oder Kleinkindalter verstorben. Daher gibt es wahrscheinlich keinen Fall, wo ein Kind aufgrund einer gesichterten Muko-Diagnose vergast oder anderweitig getötet wurde.

Gedenktafel zur Erinnerung an das Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik und dessen Funktion und Bedeutung im Nationalsozialismus. 
(Fotoquelle wikimedia.org)

Unsere Gedanken gelten all den Opfern, Überlebende und deren Angehörigen, die noch heute unter den Folgen leiden - egal ob sie nun krank waren, dem falschen Glauben angehörten und sonstwie nicht ins System passten.

Miriam