Freitag, 26. Mai 2017

Was einem so über den Weg läuft... heute Kunst

Ich gucke mir auch mal ganz gerne ein Medizinmuseum oder ähnliches an (Berlintrip mit besuch des Medizinhistorischem Museums der Charite), aber dieses Kunstwerk ist mir überraschend über den Weg gelaufen. Meine Schwester und ich haben uns eine kleine Fotoausstellung zum Thema "Lost Places" angeschaut ("Verfallsdatum" von Angelika Stück). Der Vorteil einer Ausstellung ist definitiv, dass ich nicht gleich vier Stunden im Internet versinken kann, um die Geschichte dahinter zu recherchieren oder Fotos zu suchen, wie dieser verlassene Ort früher mal ausgesehen hat. Ich finde solche Bilder und Geschichten unglaublich interessant und sie berühren mich jedes Mal ungemein - machen aber auch etwas melancholisch. Zu gerne würde ich auch mal auf Entdeckungstour gehen. Aber mal abgesehen davon, dass solche alten Gebäude aufgrund der Schimmelpilzproblematik für jemanden Lungentransplantiertes nicht gerade ideal sind, hätte ich wohl auch zu viel Angst vor den ganzen Spinnen :-).
Kurz vor meiner Lungentransplantation hatte ich geplant an einer Führung durch den verlassenen Spreepark/Plänterwald (berliner-spreepark) in Berlin teilzunehmen, aber dazu kam es leider nicht mehr. Inzwischen ist das Areal verkauft, mal sehen was sich da entwickelt.

Ich schweife mal wieder ab. Wir gehen also entspannt durch die Ausstellung und stolpern über folgendes Kunstwerk:
"Der Weg des Atems von Otto Jansen" von Gerd Christmann

Obwohl ich ansonsten eigentlich recht kreativ bin, gehören bei mir Atem und Lunge automatisch zusammen und ich hab sofort die medizinische Vorstellung vom Netz der Lungenatemwege im Kopf, die sich wie ein umgedrehter Baum in unserem Brustkorb immer weiter verzweigen. Wäre mal spannend zu Erfahren, was sich der Künstler dabei gedacht hat.

Habt eine schöne Woche
Miriam



Freitag, 19. Mai 2017

Bombenräumung in Hannover

Manchmal muss man Sonntags früh los - quasi wenn alle anderen noch schlafen. Ich mag das ganz gerne, weil die Stadt dann so still ist und man fast keine Menschenseele trifft.
Vor kurzem war aber alles ganz anders. Da herrschte morgens um 9 Uhr am Sonntag Hochbetrieb. So viel ist normalerweise nicht mal zur Rushhour los.
Der Grund war die größte Evakuierung der Stadt wegen einer Bombenräumung. 50.000 Menschen mussten um 9 Uhr ihre Häuser und Wohnungen verlassen... darunter auch wir. Holla. Die Straßen waren voll! So viele Menschenmengen zu Fuß, per Rad, an der Bushaltestelle und in den Autos... falls jemals die Apokalypse ausbricht bleiben wir zu Hause!

In den Wochen zuvor hieß es, dass es 14 Verdachtspunkte für Blindgänger gibt. Glücklicherweise waren es am Ende nur noch drei - der Rest war wohl Metallschrott oder so (der Unterschied ist in Luftaufnahmen scheinbar schwer zu erkennen).
Als die meisten Nachbarn weg waren, sah es bei uns im Viertel richtig leer aus. 
So viele Parkplätze gibt es sonst nie!

Wir mussten also früh morgens raus aus der Wohnung und wussten nicht wann wir wieder zurück kehren können. Das ist ein komisches Gefühl. Vor allem wenn dabei auch Angst mitschwingt, dass bei der Entschärfung etwas schief laufen könnte.
Meine Eltern waren an diesem Wochenende selbst unterwegs und konnten uns kein Asyl geben. Dementsprechend haben wir uns Arbeit gesucht.... ich war ehrenamtlich für die Welfare Laufserie unterwegs, mein Mann fuhr ins Büro. Für den Abend hatten wir uns bei meinem Schwager eingeladen, da er glücklicherweise in einem anderen Stadtteil wohnt und nicht von der Evakuierung betroffen war.
Das war der Plan für 50.000 Menschen.

Die große Frage für mich war: Was nehme ich mit?
Mein Mann fand das ein wenig überzogen, aber ich habe alle Medikamente eingepackt. Am liebsten hätte ich noch viel mehr mitgenommen, wie manche Schmucksachen, die ich geerbt habe. Wenn der ganze Stadtteil leer ist, gibt es schon bedenken, dass irgendwelche Diebe sich reinschleichen und die Wohnung leerräumen könnten.

Mich beschäftigte aber noch eine ganz andere Frage. Was wäre gewesen, wenn ich noch auf der Warteliste für die Transplantation gestanden hätte? Damals brauchte ich rund um die Uhr Sauerstoff. Mein mobiler Sauerstoffbehälter hielt nur für sechs, vielleicht sieben Stunden. Das hätte niemals für den ganzen Tag gereicht. Und auch meine diversen Inhalationen und die Autogene Drainage hätte ich irgendwo in Ruhe machen müssen. In so einer Situation hätte ich mich wahrscheinlich in einem Krankenhaus einquartieren müssen. In der Nähe eines Sauerstoff-Nachfülltanks - was anderes wäre nicht denkbar gewesen. Das wäre in eine große Aktion ausgeartet! Wie einfach und problemlos das Ganze nun war, war schon schön.

Die drei Fliegerbomben konnten übrigens recht schnell entschärft werden und am Abend durften alle wieder zurück in ihre Häuser. Und es war auch alles noch an seinem Platz. :-)
Insa

Freitag, 12. Mai 2017

Warten

Ein großer Teil eines Muko-Lebens besteht aus Warten.

Ganz oben auf der "Warteliste" natürlich das Warten bei Ärzten. Auf wieviel hundert Arztbesuche ich wohl gekommen wäre, hätte ich sie gezählt? Und auf wieviel Stunden Wartezeit? Allein die Bücher die ich in all diesen Stunden gelesen habe füllen Regale.

Die Warterei bei einem Ambulanztermin kommt fast einem Arbeitstag gleich - zumindest wenn noch eine Bronchoskopie nötig ist.
Das Warten auf Untersuchungstermine, die Untersuchung selbst und dann natürlich auf die Untersuchungsergebnisse - mit mal mehr, mal weniger Angst.

Warten auf ein Klinikbett und all die Warterei im Krankenhaus: auf Visiten, wieder Untersuchungen und Ergebnisse, Infusionen und im besten Fall auf Besuch.

Warten auf die erhoffte Wirkung (oder nicht erhoffte Nebenwirkung) eines neuen Medikaments.
Bei manchen Ärzten kann ich draßen warten - das ist sehr viel netter als im Wartezimmer.

Aber auch das Warten auf Apothekenlieferungen oder auf den Sauerstofftankwagen - oder darauf, dass der blöde vereiste transportable Sauerstofftank endlich wieder funktionert.

Elendiges Warten auf die Genehmigung von Hilfsmitteln, Rehas, etc.

Irgendwann kommt bei den meisten Mukos dann die Königsdiziplin des Wartens: Warten auf eine Spenderlunge! Was das im Alltag bedeutet ist gar nicht in zwei Sätzen zu beschreiben. Und wenn der wichtigste Anruf im Leben kommt, ist das Warten noch nicht vorbei. Dann beginnen bis zu acht Stunden Wartezeit, ob das gemeldete Organ auch wirklich gut ist und die OP starten kann.

Sollte man selbst mal ausnahmsweise auf nichts warten, wartet und bangt man mit einem Muko-Freund. Zuletzt, als meine langjährigste Muko-Freundin transplantiert wurde, habe ich ausgerechnet kurz nach der Nachricht, dass die OP beginnt, mein Handy zu Hause liegen lassen. Auch wenn die nächsten 6-12 Stunden nicht mit einer Nachricht zu rechnen war, habe ich mich gefühlt wie ein 14jähriger Teenager, der eine halbe Stunde nicht auf Instagram zugreifen kann.

Schön ist aber auch, wenn das Warten vorbei ist. Wenn das erlösende Untersuchungsergebniss da ist, wenn die Freundin ihre Transplantation gut überstanden hat oder man bei einem Ambulanztermin nicht mehr auf eine Bronchoskopie warten muss.
Oder aber, wenn man wie Insa bei einem Wochenendausflug das Handy zu Hause vergisst und nicht mehr sofort in Panik gerät, weil die neue Lunge schon da ist und man nicht mehr permanent erreichbar sein muß.

Miriam



Freitag, 5. Mai 2017

Ich singe gern

Ich bin jemand, der fast immer Musik um sich hat. Wenn ich in der Wohnung bin, dann läuft so gut wie immer das Radio. Und wenn kein Radio spielt, dann singe oder summe ich selbst. Ich glaube, falls irgendwann man irgendein Gehmeindienst auf die wahnwitzige Idee kommt, mich Zuhause abzuhören, dann werde ich damit die Agenten in den Wahnsinn treiben...

Vielleicht ist diese musikalische Ader genetisch bedingt? Meine Eltern singen sehr gerne und auch meine Oma hat immer gern gesungen. Ich glaube von ihr habe ich die Besonderheit geerbt, auch im schönsten und wärmsten Hochsommer Weihnachtslieder zu trällern. Wenn ich das jetzt mache und es mir irgendwann auffällt, dann denke ich immer an sie. Wahrscheinlich sitzt sie irgendwo auf einer Wolke und singt mit mir mit!
Als mein Mann damals das erste Mal zu Besuch  bei meinen Eltern war, sagte er igendwann zu mir: "Jetzt weiß ich woher Du das hast!". Ich wußte nicht wirklich was er meinte, bis ich meine Mutter im Flur singen hörte...

Ich habe diese "Gabe" schon seit ich ein Kind bin. Meine Eltern erzählen gern eine Geschichte als ich drei Jahre alt war. Wir waren in Hamburg. Bei mir wurde der Schweißtest gemacht, um zu sehen, ob ich Mukoviszidose habe. Die Wartezeit überbrückten wir mit einem Spaziergang durch den Krankenhausgarten. Plötzlich und ohne Vorwarnung fing ich an das Lied "Theo, wir fahr'n Lodz" zu singen. Das hat meine Eltern damals sehr irritiert - allerdings auch die leicht bedrückte Stimmung aufgelockert.

Meinen ersten und wohl auch letzten halböffentlichen Auftritt hatte ich auf meiner Hochzeit. Ich wollte meinem Mann gerne ein Überraschungsständchen singen. Es gab die unplugged Version von "Have I told you lately..." mit Gitarrenbegleitung. Meine Stimme war wegen der Aufregung sehr zittrig... und ich mit meiner Darbietung nicht so ganz zufrieden... aber meinem Mann hat's sehr gefallen und das war die Hauptsache.
Mein Ständchen auf unserer Hochzeit 2001... lang, lang ist's her...

Wenn ich Zuhause so für mich singe bin ich zugegebenermaßen bei meiner Musikauswahl nicht wählerisch. Ich summe die aktuellen Charts ebenso wie Schlager, Volkslieder und auch Werbejingles. Ein alltime-Klassiker ist: "Vollgepackt mit tollen Sachen, die das Leben schöner machen. Hinein ins Weekend-Feeling..." (Kennt Ihr den Film "Demolition Men" mit Sandra Bullock und Sylvester Stallone? Dann wisst Ihr was ich meine!)
Inzwischen ist mein Mann schon vollständig assimiliert und steigt sofort ein, wenn ich lossinge. Bei bestimmten Namen (z.B. wenn Fußballspieler erwähnt werden) gibt es bei uns beiden musikalische Assoziationen. Sobald der Name Toni erwähnt wird, gibt es von meinem Mann und mir das passende Lied der "West Side Story".
 
Was ich auch gut kann ist Texte umwandeln. Wenn ich z.B. meine Medikamente stelle, dann singe ich beim Auspacken des Mittels "Bicanorm" immer: "Bicanorm, Bicanorm, tut dem Hals gut, Bicanorm" - der leicht verfremdetet Text vom Hustenmittel-Radiowerbungssong "Ipalat".
:-)

Schlimm ist es allerdings,  wenn ich morgens aufwache und schon einen Ohrwurm im Kopf habe, den ich den ganzen Tag nicht wegbekomme. Manchmal sind diese Ohrwürmer tatsächlich von Liedern, die ich eigentlich so gar nicht mag...
Keine Ahnung was mein Körper mir damit sagen will.

Seit der Lungentransplantation habe ich auch viel mehr Luft zum Singen. Das war schon toll, als ich das erste Mal Zuhause, ca. 6 Wochen nach der Transplantation, einen Liedtext neben dem Radio mitsang und selbst ganz verblüfft war, dass ich zwischendurch in der Strophe gar nicht Luft holen muß!

Heute sage ich mal Tschüß mit den Worten von Cro: "Bye bye, bye bye, meine Liebe des Lebens..."
Insa