Freitag, 21. Januar 2022

Unterbewußtsein vs Ambulanztermin

Ja, ich hab so meine Baustellen am laufen. Ja, diese ständige Erschöpfung und Müdigkeit frustriert mich unfassbar. Aber an den meisten Tagen fühl ich mich glücklich. An den meisten Tagen habe ich keine traurigen Gedanken. An den meisten Tagen würde ich behaupten das ich psychisch total stabil bin und würde auch sagen, dass ich alles erlebte gut verarbeitet habe. Trotzdem kann ich nicht mehr übersehen, dass die vielen Jahre schwer krank sein und insbesondere die letzten zehn Jahren Spuren hinterlassen haben. Hauptsächlich in meinem Unterbewusstsein.

Foto: Miriam in einem der langen Kellergänge in der Medizinischen Hochschule Hannover.

Mein Unterbewusstsein und ich

Das erste Mal ist mir das ganz besonders aufgefallen, als ich irgendwann nach der Lungentransplantation ins MRT, "die Röhre" musste. Vor der Transplantation, mit Luftnot, da wäre das schlimm gewesen. Flach liegen, nicht spontan bei Atemnot oder Hustenanfall hinsetzen können. Aber jetzt...ist das alles gar kein Problem. Und in dem Moment, wo ich dieses OP Hemdchen ankriege und die wirklich lieben Pflegerinnen mir Elektronen aufkleben, hab ich aus dem nichts angefangen Rotz und Wasser zu heulen.
Wir waren glaub ich alle gleich erschrocken. Ich hatte keine Angst, ich habe mir keine Sorgen gemacht, so ein MRT ist nun wirklich eine der einfachsten und schmerzlosesten Untersuchungen. Mir liefen die Tränen trotzdem immer weiter. Ich habe dann gesagt, dass wir das jetzt einfach ignorieren müssen, denn ich fühlte mich ok. Ich habe versucht zu erklären, dass es irgendeine unterbewusste Reaktion sein muss, die sich auf die vergangenen erlebten Dinge bezieht. 

So geht es mir immer wieder Mal, wenn irgendetwas medizinisches ansteht. Und sei es nur, ich gehe zu einem neuen Arzt oder es steht eine Untersuchung an, die ich noch nicht kenne. Manchmal laufen mir dann einfach die Tränen ohne das ich sagen könnte, was jetzt das Problem ist und ohne das ich bewusst Angst habe oder traurig bin.

Besondere Zeiten

Auch wenn besondere Daten anstehen reagiert mein Körper. Vor allem wenn der Jahrestag meiner Transplantation ansteht oder auch die Zeitspanne um meine damalige Sepsis herum. Wo ich gerade dabei bin, heute vor sechs Jahren hatte ich gerade wieder allein atmen gelernt, bin mitten in der Nacht auf Normalstation verlegt wurden, weil das Intensivbett gebraucht wurde und ich konnte mich mit viel Anstrengung das erste Mal selbst an der Nase kratzen.
Zurück zum Thema. In diesen besagten Zeiten habe ich mehr Alpträume, bin heuliger oder hyperaktiv. Manchmal fällt mir erst dadurch ein:"Ach ja, es ist wieder diese Zeit."

Nächste Woche steht mein Kontrolltermin in der Lungentransplantationsambulanz an. Es gibt nichts "Schlimmes" zu erwarten. Wir müssen ein paar Medis abklären, meine Knochen und Nieren besprechen, aber das ist jetzt alles nichts Dramatisches, beziehungsweise Schmerzhaftes. Allerdings habe ich - so unwahrscheinlich es ist - immer schrecklich Angst das eine Bronchoskopie gemacht werden muss. Allein der Weg durch die Nase ist für mich Horror und verbunden mit schlimmen Kindheitserinnerungen. Das nicht richtig Atmen können bringt mich zurück zu Todesängsten, die ich erlitten habe, als ich, hart ausgedrückt, erstickt bin und nur mit Reanimation und Ecmo zurückgeholt werden konnte. Und das ich nach der letzten Broncho fast an einer Sepsis (Blutvergiftung) gestorben bin, macht es nicht besser. Jetzt bitte niemand in Panik geraten. Das ist eine so extrem seltene Nebenwirkung der Broncho und selbst wenn, lässt es sich bei Verdacht mit einer Antibiotikagabe schnell beheben. Aber mein zweiter Name ist leider "selten" und wenn ich was mache, dann richtig, auch so eine Sepsis...

Autopilot Unterbewusstsein

Mein Unterbewusstsein hat jedenfalls seit dem beschlossen vor jedem Ambulanztermin voll durchzudrehen. In der Woche vor dem Termin nehme ich 2-4 Kilo zu (ohne das ich frustessen mache oder so), ich brauche Unmengen an Insulin weil mein Blutzucker eskaliert, ich fühle mein Herz so extrem schlagen, dass ich nicht schlafen kann und bin total unruhig. Selbst mein ansonsten wirklich stabiler Heim-Lungenfunktionstest rutsch in den gelben Bereich. Was soll das lieber Körper? Auch dieses Mal war meine Woche vollgepackt, so dass mir eigentlich keine Zeit blieb mir Sorgen zu machen. Aber mein Unterbewusstsein erledigt das dafür scheinbar umso besser. 

Das gute ist, so plötzlich diese Dinge auftreten, so plötzlich verschwinden sie, sobald der Termin vorbei ist. 

Kennt Ihr solche "Spielchen" Eures Körpers auch?
Miriam


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