Donnerstag, 7. Februar 2019

Sandra

Vor ein paar Tagen fuhr ich mit dem Fahrrad durch die Eilenriede (das ist ein großer Stadtwald mitten in Hannover) und auf einmal dachte ich an meine "alte" Freundin Sandra. Wir waren zehn Jahre lang sehr, sehr gut befreundet. Eine Krankenhausfreundschaft: Sie begann im Krankenhaus "Im Bürgerpark" in Bremerhaven, als wir gemeinsam dort Weihnachten und Silvester 1990 verbrachten, und sie endete in der MHH, wo sie im Februar 2000 starb. Da ich zu diesem Zeitpunkt selbst in einem anderen Krankenhaus zur Antibiose lag, konnte ich nicht zu ihrer Beerdigung, was mich damals schwer getroffen hat - ich konnte mich nicht richtig von ihr verabschieden.

Sandra hatte keine Mukoviszidose, sondern eine sehr seltene Autoimmunerkrankung. Damit war sie öfter im Krankenhaus als ich und die Ärzte meistens eher ratlos. Mit Mukoviszidose war man in den 80er Jahren oft Versuchskaninchen. Bei Sandra war dies ein Dauerzustand.
Sie kam aus schwierigen familiären Verhältnissen. Der Vater hatte die Familie früh verlassen. Mit ihrer Mutter verstand sie sich nicht so gut, so dass sie bei ihrer Oma wohnte - aber auch da lief nicht alles reibungslos. Ich denke, ich war quasi so eine Art Familienersatz.

Sandra war mit dabei, als ich zu Hause auszog und nach Hannover ging, um dort zu studieren. Als sie selbst Patientin der MHH wurde, war es sehr praktisch, dass ich vor Ort war - so konnte ich sie oft besuchen.
Ich war bei ihrer Hochzeit dabei - aber sie nicht mehr bei meiner.
Sie hat auch meine gesundheitliche Verschlechterung hin zur Listung nicht mitbekommen. Und sie kennt nicht mein Leben 2.0, was sie wahrscheinlich ganz phänomenal gefunden hätte.

Als Muko gehört der Tod von Freundinnen und Freunden früher oder später mit zum Muko-Leben. Ich habe viele schöne und lustige Erinnerungen an meine Krankenhausfreunde, aber auch viele traurige.
Ich möchte keine davon missen. Ganz ehrlich. Sie machen mich zu der, die ich jetzt bin. Und sie zeigen mir, dass ich das Leben schätzen und genießen muss.
Ich glaube ja, Sandra hockt da oben auf einer Wolke und guck ab und an zu mir runter. Bestimmt hat sie im Geiste bei meiner Hochzeit mitgetanzt... Ganz sicher saß sie bei meiner Lungentransplantation in der ersten Reihe und hat sich nicht einen Millimeter bewegt, bis die OP vorbei war und die Chirurgen ihre Arbeit ordentlich abgeschlossen hatten. Bestimmt fährt sie ab und an mir Fahrrad und freut sich mit mir über meine neuen Möglichkeiten.
Und ich bin der festen Überzeugung, dass sie (die Kommunikative) sich inzwischen schon mit Elvis und Michael Jackson unterhalten hat. Denn so war sie: Einfach Leute anquatschen und gucken was geht.

Nun jährt sich Sandras Todestag zum 19. Mal.
Sie fehlt, aber ist auch immer noch da.
Insa


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