Vor gut zehn Tagen bin ich aus unserem jährlichen Disneyland-Urlaub zurückgekommen. Natürlich war es wie immer total toll und mega anstrengend. Aber es waren auch mal wieder andere Gedanken mit im Gepäck. Während ich dies hier schreibe, denke ich sechs Jahre zurück. Zu der Zeit lag ich auf der Intensivstation an der Wach- ECMO (eine Art Herz-Lungen-Maschine, am Ende des Textes gibt es dazu noch eine extra Erklärung). Gerade einmal 3 1/2 Wochen vorher war ich zu meinem Geburtstag noch in Disneyland. Dass es mir recht schlecht ging war natürlich klar, aber dass sich dann alles so schnell so dramatisch zuspitzt, damit hätte niemand von uns gerechnet. Ganz im Gegenteil, zum Vergleich mit den Monaten davor, fühlte ich mich ziemlich gut und erinnere mich noch ganz genau, wie ich in Disneyland einmal "schnell" ohne Sauerstoff in einen Laden gegangen bin. Das war ein besonderer Moment, den genau zu erklären wäre jetzt zu ausschweifend. Außerdem hatte ich einen mega tollen Geburtstag dort. Die Sonne schien, meine Muko-Freundin aus Paris schickte mir Blumen ins Hotel, Kuchen mit Kerzen am Frühstückstisch und das obligatorische Ständchen von den Castmembern. Wir genossen unsere Tage dort sehr. Die Rückfahrt war allerdings eine der Schlimmsten die wir je hatten. Dass ich danach einige Tage Erholung brauchte, war dann eigentlich ganz normal. Schnell merkte ich, dass meine eh begrenzte Belastbarkeit schlechter wurde, aber auch das machte mir nicht zu viel Sorgen. Schließlich waren fast 2 1/2 Monate seit der letzten IV Therapie vergangen (Antibiotika über die Vene) und es wurde halt wieder Zeit.
Die letzten Tage...
Ich ging wie immer in mein Heimatkrankenhaus und startete meine IV - mit all den üblichen Nebenwirkungen, mit denen ich die letzten Jahre immer zu kämpfen hatte. Auf genau diese schob ich meinen immer schlechter werdenden Zustand. Vor allem bei den Fieberschüben hatte ich enorme Probleme mit dem Atmen, aber auch das war nicht wirklich neu. Am vierten Tag, ein Freitag, hatte meine Familie einen Grillabend geplant. Ich wohne nur 10 Minuten vom Krankenhaus entfernt und bin häufiger abends mal nach Hause gefahren. An dem Abend wäre ich aber am liebsten in der Klinik geblieben und es war der erste Tag an dem ich wusste, dass hier was ganz gründlich falsch läuft. Da ich aber meine Familie nicht enttäuschen wollte ließ ich mich wie gewohnt abholen, aber auch möglichst schnell wieder zurück bringen. Ab Samstag konnte sogar jeder Außenstehende zusehen, wie es mit mir Bergab ging. Am Sonntag kam extra noch meine Physio vorbei um mir etwas Erleichterung zu verschaffen, aber es ging nix mehr. Ich konnte nicht mal mehr für ein paar Minuten von der Maskenbeatmung weg und jeder Atemzug war ein Kampf. Leider gab es noch kein freies Bett in meiner Transplantationsklinik und so mussten wir noch die Nacht überstehen. Zum Glück hatte ich dort unglaublich tolle Krankenschwestern und ich bekam ein 2er Zimmer, so dass meine Mutter bei mir bleiben konnte. An Schlaf war gar nicht zu denken. Die Nacht war die Schlimmste und trotzdem gleichzeitig auch schönste Nacht meines Lebens (wieder ein Thema für sich).
Transport in die Transplantationsklinik
Das Warten auf einen freien Intensivkrankenwagen am nächsten Tag war mehr als eine Geduldsprobe. In meiner Transplantationsklinik musste / durfte ich erst noch auf die normale Station und ein paar Tage, die ebenfalls diesen Text sprengen würden, haben wir alle alles mögliche probiert mich zu stabilisieren. Leider ohne Erfolg und an einem Punkt wusste ich dann, dass ich jetzt einfach nicht mehr kann.
Plötzlich ging es sehr schnell. Ich wurde auf die Intensivstation gebracht und zum Glück habe ich ab dem Punkt erst einmal nichts mehr mitbekommen. Eine "normale" Beatmung reichte nicht, es war einfach nicht mehr genügend funktionierendes Lungengewebe übrig. Daher kam ich an die ECMO und wurde wieder "geweckt". Ich sollte nämlich möglichst viel "mit atmen" um meine Atemmuskeln nicht zu verlieren (siehe die Erklärung am Ende des Textes). Zum Glück konnte ich zumindest schriftlich kommunizieren und es war immer (zu den erlaubten Zeiten) jemand bei mir, hauptsächlich meine Mama. In so einer Situation jemanden an seiner Seite zu haben, ist so unglaublich wichtig!!! Ohne hätte ich sicher nicht die Kraft gehabt. In den folgenden Tagen mehrten sich die Komplikationen, aber es wurden auch Bilder aufgehängt, Freundinnen kamen vorbei und Wassereis essen war ein unglaubliches Highlight.
Happy End und Dankbarkeit
Na ja, und da ich dies hier gerade schreibe, wisst ihr, es gab doch noch ein Happy End. Ein fremder Mensch und vor allem seine Angehörigen haben mit ihrer Entscheidung für eine Organspende mein Leben gerettet. Diese Dankbarkeit kann man nicht in Worte fassen.
Es gäbe noch unglaublich viel dazu zu erzählen, aber hier erlöse ich Euch erst einmal. Und um auf den Anfang des Textes zurückzukommen: All diese Erinnerungen reisten dieses Mal besonders intensiv mit. "Weißt du noch, vor sechs Jahren um diese Zeit..." war wohl der meist gesprochene Satz. Und umso erstaunlicher / besonderer (gibt's das?) war es, ohne zusätzlichen Sauerstoff frei atmend dort zu stehen und eine so schöne Zeit zu erleben.
Lasst es euch gut gehen,
Miriam
ECMO
Die ECMO ist eine Herz-Lungen-Maschine, aber fragt mich bitte nicht ob und wenn ja welchen Unterschied es zur "normalen" Herz-Lungen-Maschine gibt. Durch einen dicken Zugang wird das Blut in die Maschine geleitet und nicht nur mit Sauerstoff versorgt, sondern auch vom CO2 (quasi die alte Luft) befreit. Über einen zweiten fetten Zugang kommt das Blut zurück in den Körper. Ich durfte mich möglichst nicht bewegen, damit diese beiden lebenswichtigen Schläuche nicht verrutschen. Zusätzlich wurde ich durch einen Luftröhrenschnitt beatmet. Das ist nicht immer so. Manchmal wird die ECMO auch als Unterstützung (zum Beispiel nach einer Lungentransplantation) angeschlossen, damit die Lunge / der Körper sich besser erholen kann.
Warum Wach-ECMO?!
Nun werden sich bestimmt einige fragen, warum man nicht einfach schlafen gelegt wird, damit man das ganze Elend und die teilweise aufkommende Panik nicht mitbekommt. Das hat einen sehr wichtigen Grund: Um Atmen zu können, braucht es neben einer funktionierenden Lunge auch Muskeln. Und je länger jemand beatmet wird, desto mehr Kraft verlieren diese Atemmuskeln. Ergo wird es immer schwieriger nach der erfolgreichen Lungentransplantation, selbstständig zu atmen und es dauert viel länger, komplett von der Maschine wegzukommen. Daher wurde ich immer wieder dazu angehalten "mit zu atmen", auch wenn es für die Sauerstoffversorgung so gut wie sinnlos war. Das war wirklich sehr anstrengend. Zusätzlich hat es den Vorteil, das ich auch vorsichtig und natürlich stark begrenzt Arme, Beine und so weiter leicht "trainieren" konnte. Dies alles half um nach der Transplantation möglichst schnell wieder auf die Beine zu kommen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen