Sonntag, 25. Juli 2021

Hochwasser-Katastrophe - an was kaum jemand denkt

Diese Hochwasser-Katastrophe ist furchtbar. Für ALLE die das erleben müssen und in irgendeiner Art und Weise betroffen sind. Die Angst um das eigene Leben und das seiner Liebsten. Der Verlust von einfach allem - vom Zuhause, von Dokumenten bis hin zu den Dingen, die vor allem emotionalen Wert haben. Es gibt so viele Menschen, die ihr Leben verloren haben oder um einen Angehörigen trauern. Was ist mit den Kindern, die das alles gar nicht so fassen können und zusätzlich die Hilflosigkeit und Verzweiflung der Erwachsenen spüren? Es ist schrecklich. 

Aber meine Gedanken sind noch ganz woanders. Wenn ich mir vorstelle, das wäre hier bei mir passiert: Ich glaube nicht, dass ich als erstes daran gedacht hätte ein paar meiner Medikamente zu schnappen. Im Besten Fall habe ich also überlebt und lande in einer Notunterkunft. Aber ich könnte nicht mal etwas essen, weil ich ja keine Enzyme bei mir habe. Die Infrastruktur ist zerstört. Meine Hausarztpraxis kann also kein Rezept ausstellen und auch die Apotheken sind selbstverständlich nicht offen. Wie komme ich jetzt irgendwo hin, wo das möglich ist? Die Einsatzkräfte sind mit wichtigerem beschäftigt, die Straßen existieren zum Teil nicht mehr und so weiter. Krankenhäuser sind mit den Katastrophen-Opfern überlastet. Selbst wenn ich in ein Krankenhaus käme, ich weiß aus Erfahrung das es zum Teil mehrere Tage dauert, bis all meine speziellen Medikamente bestellt und angekommen sind. 

Das mit den Enzymen ist nur ein Mini-Beispiel, was für extra Probleme bei Katastrophen für chronisch kranke und behinderte Menschen aufkommen. Ganz abgesehen von der Hilflosigkeit sich nicht selbst aus einer lebensgefährlichen Situation retten zu können. Was, wenn ich noch immer am Sauerstoff hängen würde? Wenn ich heimbeatmet bin? Und gibt es Notunterkünfte die behindertengerecht sind? Wie gut funktioniert das System für sehbehinderte oder gehörlose Menschen? 

Nehmen wir an, die akute Erstphase ist vorbei. Einige Menschen können in ihre zerstörten Wohnungen zurück. Neben all den "normalen" Schäden, sind all meine medizinischen Hilfsmittel kaputt, auf die ich zum Teil Monate warten muss und im schlimmsten Fall auch wahnsinnig lange darum gekämpft habe, dass sie mir zustehen. Ein neues Inhalationsgerät wird sich bestimmt auftreiben lassen, aber eine speziell angefertigte Sitzschale für einen Rollstuhl? Meine Helfer*innen oder die Pflegedienste werden auch nicht ohne weiteres normal arbeiten können, denn sie haben mit ihren eigenen zerstörten Wohnungen zu tun. Ersatz zu finden ist schon ohne Katastrophe schier unmöglich. 

Wenn ich noch mal persönlich auf mich gucke: Mir würde zum Beispiel die körperliche Kraft fehlen um den Schlamm raus zubekommen, ich hätte Angst vor Schimmelpilzen die sich in der Feuchtigkeit bilden, überhaupt vor Keimen und Bakterien die mit dem Schlamm gekommen sind. Medikamente und Hilfsmittel habe ich ja schon erwähnt, ohne Auto bin ich aufgeschmissen, und meine chronische Erschöpfung würde es nicht leichter machen die ganzen notwendigen Anträge, Arzt- und Behördengänge und all diese organisatorischen Dinge zu erledigen. Aber wie gesagt, da gibt es noch viel existenziellere Beispiele. 

Dies alles sind nur kleine Auszüge von dem was chronisch kranke oder behinderte Menschen zusätzlich bewältigen müssen oder wo sie im System vergessen werden.

Miriam

P.S.: Mukoviszidose-Betroffene die Unterstützung brauchen, können sich beim Mukoviszidose e.V. melden unter: 0228 / 98780-0 und info@muko.info

 

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