Sonntag, 19. Oktober 2014

Gastbloggen mit Steff von Diabetes-leben, Teil 1

Heute haben wir eine Gastbloggerin bei uns auf der Seite: Steff von Diabetes-Leben. Da Diabetes ja auch bei uns Mukos vorkommt - allerdings meist nur als "Nebenbei-Erkrankung" fanden wir es mal interessant zu hören, wie es sich mit einem "Vollzei-Diabetes" lebt. 
Im Gegenzug zu Steffs Gast-Beitrag durfte ich in ihrem Blog als Gast etwas über meinen Muko-Diabetes schreiben: www.diabetes-leben.com
Insa

Was ist schon eine Insulinpumpe im Vergleich zu einem Sauerstofftank?


Hallo, ich bin Steff und habe seit fast 18 Jahren Diabetes Typ 1. Über diesen Eindringling, dieses nervige Anhängsel berichte ich regelmäßig in meinem Blog (www.diabetes-leben.com). Zugegeben bin ich oftmals sehr wütend darüber, dass mich diese Krankheit heimgesucht hat. Manchmal bin ich einfach genervt, weil mein Blutzucker nicht so funktioniert, wie ich das gern hätte und dadurch immer wieder mein Leben durcheinander bringt. Außerdem wäre da noch der Herr Morbus Crohn, der sich vor ein paar Monaten dazugesellt hat und seinen nervigen Beitrag zur Beeinträchtigung meines Wohlbefindens beisteuert. Hinzu kommen noch ein paar andere hier schon fast nicht mehr erwähnenswerte „Kränkeleien“ … Ja, ich könnte nun weit ausholen und einen Haufen „Jammer-Zeilen“ dazu verfassen. Keine Sorge, das tue ich nicht... na ja ein bisschen schon ;).

 

Der Stand der Dinge


Oft fragen mich Leute, wie ich denn trotz der "Krankenakte", Dinge tun könne, wie etwa 3,5 Marathons (mehr oder weniger ;)) lächelnd am Stück zu laufen... Und überhaupt, woher ich die Kraft nehme, 50 Stunden die Woche zu arbeiten, so viel zu trainieren, nebenbei als Trainerin in Fitnessstudios noch Kurse zu geben, regelmäßig zu bloggen, den Diabetes und den Crohn zu managen, mich in der Öffentlichkeit dafür stark zu machen und eben die alltäglichen Dinge zu erledigen. Mhhh, genau der Diabetes ist eigentlich der Grund dafür, der mich motiviert diese Dinge zu tun. Meine Geschichte:

 

Die Diagnose


1997 wurde bei mir Diabetes diagnostiziert. ich musste sofort ins Krankenhaus. Die Schwester "Gnadenlos" ;) war knallhart, ihre Worte lauteten in etwa: "Sieben Mal am Tag den Blutzucker messen, vier Mal Insulin spritzen, einen Diätplan einhalten und Tagebuch darüber führen. Sport und Haushaltszucker sind ab jetzt tabu. Du willst doch nicht erblinden, wie diese Patientin da drüben, oder? Deswegen ist es wichtig, immer den Blutzucker zu kontrollieren und wie gesagt auf keinen Fall Haushaltszucker essen. Aber es gibt ja Alternativen wie Fruchtzucker. Der ist erlaubt. Dieses Blutzuckermessgerät, diese Einwegspritze und diese beiden Insuline hier musst du jetzt immer bei dir führen. Ach so und den Traubenzucker nicht vergessen, für den Fall einer Unterzuckerung, diese solltest du übrigens rechtzeitig bemerken bevor du bewusstlos wirst. Das trainieren wir noch. Hier hast du auch noch eine BE-Austauschtabelle. Schulungen über den Diabetes bekommst du auch. Das ist dein Diätplan über insgesamt 6 BE, davon sollte man gut satt werden. Wann du die BEs essen musst, steht auch alles auf dem Zettel hier. Keine Sorge, du bleibst jetzt erst mal in den nächsten Wochen hier in der Klinik, das kriegen wir dann schon alles geregelt. Morgen kannst du dich schon selbst spritzen, wirst schon sehen... (bitte was?). Leg dich jetzt erst mal schlafen. Wir kommen dann heute Nacht noch ein paar Mal zur Blutzuckerkontrolle, aber am besten übernimmst du Morgen dann gleich selbst das Ruder. Je schneller du das alles selbst managt, umso besser. Psychologische Hilfe bekommst du hier auch in der Klinik. Die solltest du auch annehmen..."

Nette Begrüßung! Hey Mann! Ich war 14 Jahre! Mitten in der Pubertät.

Ähm ja!!! Klar sind Tränen geflossen. Das Problem war fast weniger die Diagnose als die piefige Klinik, die zickigen Krankenschwestern und die etwa 50 Jahre älteren Patienten. Keiner in meiner Altersklasse hier? Was habe ich falsch gemacht? Warum bin ich hier?

 

Hallo Kontrolle!


Das hat mich alles aus der Bahn geworfen: nach Aufenthalt der Klinik habe ich mich an die strengen Vorgaben noch lange gehalten, mir Wecker gestellt, um meine BEs pünktlich zu essen und den Blutzucker zu kontrollieren. Hallo Kontrolle! Hallo Essstörung (Magersucht)! Hallo Depression! Durch eine Selbsthilfegruppe (auf die ich glücklicherweise zufällig gestoßen bin) lernte ich endlich, dass ich sehr wohl Zucker essen und Sport treiben darf. Dass es neben Einwegspritzen auch Pens und Insulinpumpen gibt. Dass ich keine Zwischenmahlzeiten essen und auch keine halbe Stunde Spritz-Ess-Abstand einhalten muss. Ich hörte das erste Mal von "Insulinanaloga". Ich habe das meiste in der Selbsthilfegruppe und von anderen Betroffen über den Diabetes gelernt. Und das ist auch heute noch so! Nur das ich heute nicht mehr von "Selbsthilfegruppen" sprechen würde, sondern von der "Diabetes-Community", aus der ich sehr viel Kraft geschöpft habe und noch schöpfe.

Siegerehrung nach dem 24-Stunden-Lauf

Alles ist möglich


Heute bin ich deshalb stärker und schlauer ;). Die Worte der Schwester "Gnadenlos" werde ich jedoch vermutlich nie vergessen. Ich verspüre heute manchmal einen Drang in mir, allen beweisen zu MÜSSEN, ich bin kein "kranker"/"halber" Mensch. Kann das trotz Diabetes und Morbus Crohn (kürzlich diagnostiziert) alles schaffen. Trotzdem Marathon laufen, trotzdem 50 Stunden die Woche arbeiten, trotzdem viel trainieren, trotzdem... und ich kann noch viel mehr! Zum Einen motiviert mich das, zum Anderen muss ich mich dabei aber auch ausbremsen und mir klar machen: "hey, du musst niemandem etwas beweisen"... und schon gar nicht über Schmerzensgrenzen hinaus gehen und dich auch nicht so stark unter Druck setzen. Dabei hilft mir das Meditieren. Dabei komme ich runter und auch mein Blutzucker ;), der in solchen Stress-Situation gerne mal ansteigt.

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