Freitag, 6. April 2018

Miriam Sticht in See Teil 1: Versinken im (Bürokratie-) Chaos

Oh wei, Sonntag geht es los. Nein, eigentlich muss es heißen: HURRA, Sonntag geht es endlich los. Am Sonntag geht es für mich und meine Mutter auf eine Mittelmeer-Kreuzfahrt. Von Venedig aus schippern wir acht Tage lang über's Meer, besuchen dabei neben Italien auch Griechenland und Kroatien, um am Ende wieder in Venedig anzukommen.
Meine Mutter und ich wollen schon seit fast 20 Jahren (du meine Güte, ist das echt schon soooo lange her?) wieder eine Kreuzfahrt machen. Im Jahr 2000, als Kreuzfahrten noch nicht „in“ waren, haben wir eine Fahrt von Venedig bis Ägypten gemacht (mit Sauerstoff) und seit dem wissen wir: Das wollen wir noch mal!
Aber wie das Leben so Spielt, zum einen muss das Geld da sein und dann war mein Gesundheitszustand so unberechenbar, dass wir das Risiko nicht noch einmal eingehen wollten. Ich weiß sowieso nicht, wie ich diese Reise damals überstanden habe. Davon muss ich unbedingt mal an anderer Stelle berichten.

Nun soll es aber endlich soweit sein. Wir haben erst relativ spät im Februar gebucht, da meine Mutter im Dezember zwei große Rücken-Operationen hatte und wir erst einmal abgewartet haben, wie das mit dem Laufen wird. Beim buchen gab es dann eine riesengroße positive Überraschung. Wir hatten uns eine Außenkabine ausgeguckt, aber es waren leider alle Behindertenkabinen weg. Während wir damit haderten, ob wir eine doch nicht gerade geringe Summe mehr zahlen sollen für eine Balkonkabine oder doch nach „Innen“ gehen sollen, telefonierte unser Reisebüromensch mit Costa.  Am Telefon erfuhr er, dass Costa die einzige Reederei ist (ich habe es jetzt nicht nachgeprüft), die bei einem „B“ im Behindertenausweis die Begleitperson umsonst mit nimmt! Balkonkabine wir kommen :-)
Dann begann der Bürokratie-Wahnsinn. Dass ich einige medizinische Angaben machen muss, war mir natürlich klar. Auch dass ich Atteste für alle Medikamenten und vor allem für die Insulinnadeln im Handgepäck haben muss ­ - geschenkt. Zuerst bekam ich etwa fünf Seiten von der „Special Needs“ Abteilung. Verwundert war ich zum einen darüber, dass ich angeben muss wie lang die Insulinnadeln und wie lang wiederum die Nadeln für die Stechhilfe sind. Das fand ich dann doch sehr detailverliebt. Zum anderen wunderte ich mich, dass nach dieser peniblen Genauigkeit, überhaupt nicht nach meinen anderen Medikamenten gefragt wurde.

Als ich die ausgefüllten Formulare zu meinem Reisebüromenschen gebracht habe, rief er daraufhin – mal wieder – bei besagter Abteilung an. Ich möchte hier gleich einmal mein Mitleid für meinen super tollen Reisebüromenschen aussprechen, denn es war nicht sein letztes Telefonat. Bei besagtem Gespräch wurde klar, dass sie mir die falsche Datei geschickt hatten und daher entscheidene Seiten fehlten... Allerdings benötigten sie diese nun ganz ganz dringend und am besten Vorgestern. Es waren 13 Seiten (!!!) in englisch (!) und leider musste eine Seite vom jeweiligen Arzt ausgefüllt werden. Ich sag mal so: mein Hausarzt ist Internist, vertrat gerade zwei andere Internisten und es war Beginn der Grippesaison. Seine Begeisterung darüber, nun noch eben ganz schnell nebenbei ein Diagnoseblatt in englisch auszufüllen hielt sich in Grenzen. Auch für meine Mutter musste ich die 13 Seiten ausfüllen und natürlich brauchten wir auch von ihrer Ärztin einige Atteste. Gut das mein Heimatort so klein ist und ich fast allles innerhalb von 15 Minuten erreichen kann.

Zwei Wochen war ich gefühlt Dauergast im Reisebüro und in den verschiedenen Arztpraxen. Irgendetwas war immer falsch oder fehlte. So wurde der z. B. der Medikamentenplan meiner Mutter nicht anerkannt, weil „morgens, mittags, abends“ nun mal nicht englisch ist. Das Formblatt mit den Insulinsachen kam zurück, da wir nicht eingetragen hatten wie viele Spritzen wir mit nehmen (keine). Dafür musste der Insulinpen dort aufgeführt werden... selbstverständlich mit genauer cm Angabe. Wenigsten konnte ich solche Sachen selbst abarbeiten. Schlimm war nur, wenn ich zum x-ten mal bei einem der Ärzte stand und erklären musste, das der Wortlaut immer noch nicht genau den Vorgaben entspricht.

Als vor Ostern endlich unsere Reiseunterlage da waren, war ich so unglaublich erleichtert. Bis dahin hatte ich Angst gehabt, dass sie uns vielleicht doch noch absagen. Dann kam ein erneuter Anruf....es fehlte ein Spritzenplan!?!? Die gehen immer noch davon aus, dass ein Diabetiker „morgens, mittags, abends“ eine immer gleichbleibende Menge Insulin spritzt. Zum Glück haben wir eine super Diabetesärztin, die uns nun auch noch entsprechende Atteste geschrieben hat.

Ein weiteres kompliziertes Feld ist die Mitnahme von bestimmten Schmerzmitteln. Nur weil sie in Deutschland nicht unter das BTM (Betäubungsmittel)-Gesetz fallen, heißt dies nicht, dass das in anderen Ländern auch so gesehen wird. Dafür sollte ich beglaubigte Schreiben der verschiedenen Botschaften besorgen! Als ob Botschaften nichts Besseres zu tun haben! Da hab ich gleich wieder ein schlechtes Gewissen. Wenn man überlegt, wie viele Menschen dafür arbeiten mussten, dass ich jetzt in den Urlaub kann – und dann das alles für nur eine Woche.

Seit zwei Wochen habe ich endlich einen richtigen Schmerztherapeuten. Ich erhoffte mir ein „bei Bedarf“ - Schmerzmittel, was mega wirkt, nicht auf die Nieren geht und bitte nicht unter das BTM fällt. Und das Ganze natürlich ruck zuck, damit ich auf der Kreuzfahrt schon davon profitieren kann. Ich habe nämlich echt Angst vor den Landausflügen, da laufen Glückssache ist bei mir. Mein neuer Doc im Team ist echt nett und hat sich dieser Aufgabe gestellt. Aber nach einigen Versuchen blieb nun doch erst einmal nur Oxycodon, was eben unter dass BTM-Gesetz fällt...und das war erst vor drei Tagen.
Dann habe ich die erste Oxycodon probiert und hey, wenn die Schmerzen nachlassen, sieht die Welt schon wieder anders aus.

In einer organisatorischen Meisterleistung und einem top Zusammenspiel von meinem Schmerztherapeuten, meiner Mutter, dem Gesundheitsamt (die müssen das BTM Attest nämlich auch absegnen) und der kroatischen Botschaft (Kroatien ist nicht im Schengener-Verbund, daher BTM Mitnahme wieder anders) habe ich jetzt alle notwendigen Unterlagen um das Oxycodon auch mitnehmen zu können. Uff. Jetzt setzt auch endlich die Vorfreude ein :-)

Schiff Ahoi!
Miriam

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