Freitag, 31. August 2018

Reaktion auf die FAZ

Vor kurzem stand in der FAZ ein "Organspende-Kommentar", der mich sehr irritiert hat. Unter dem Titel "Mein Körper ist kein Ersatzteillager" wurde alles rausgehau'n was es an Vorurteilen bei diesem Thema gibt. Das Ganze war BILD-Niveau und hat mich wirklich erschreckt. Es ging um die Widerspruchslösung, die derzeit erneut in der Diskussion ist und die von unserem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in Betracht gezogen wird. Erwartet hätte ich eine vernünftige Auseinandersetzung mit dem Thema. Auch wenn es ein Kommentar und kein Artikel war, so (finde ich) kann man doch von Journalisten der FAZ erwarten, dass sie Recherche betreiben und nicht einfach blindlings ein Vorurteil nach dem anderen aneinanderreihen - ohne Sinn und Verstand. Es standen so schöne Wörter wie Zwangsausschlachtung im Text und es wurde der Eindruck vermittelt, dass Ärzte beim Thema Organspende künftig wohlmöglich nicht mehr „patientenorientiert“, sondern „spenderzentriert“ arbeiten und denken.

Diesen Kommentar konnte ich so nicht stehen lassen und habe eine Antwort verfasst. Bei dieser ohnehin schon sehr emotionalen Diskussion in der Gesellschaft sollten die Medien das Feuer auf diese Weise nicht weiter entfachen.

 (Dies war der Entwurf von Miriam für den Organspendepreis 2016)

Hier meine Antwort:

Sehr geehrter Herr Hank,

Ihr Organspende-Kommentar „Mein Körper ist kein Ersatzteillager“ hat mich bestürzt, fassungslos und traurig gemacht. Einen so unsachlichen, polemischen und schlecht recherchierten Text hätte ich in der BILD erwartet, aber nicht in der FAZ. Ich dachte, die FAZ hätte etwas andere Ansprüche und ein anderes Niveau.
Das Thema Organspende wird in Deutschland immer hitzig diskutiert. Leider hilft da so ein Beitrag wie der Ihre nicht wirklich weiter – ganz im Gegenteil.

Ich möchte Ihnen helfen die Hintergründe zu verstehen, damit Sie in Zukunft wenigstens ein wenig Hintergrundinformation haben und sich nicht mehr nur auf Ihre gefühlten Wahrheiten verlassen müssen.

Wir haben in Deutschland zu wenig Organspender – und dies aus zweierlei Gründen. Zum einen besitzen zu viele Menschen keinen Organspendeausweis bzw. machen sich über dieses Thema keine Gedanken, zum anderen werden in vielen kleineren Krankenhäusern mögliche Hirntote bzw. mögliche Organspender nicht erkannt und gemeldet.

Die Widerspruchslösung
Bei der Widerspruchslösung kann jeder Bürger widersprechen. So wie derzeit auch, kann im Organspendeausweis ein „Nein“ angekreuzt werden. Die Widerspruchslösung führt hoffentlich dazu, dass sich alle Bürger über das Thema Organspende eine Meinung bilden und entscheiden ob sie pro oder contra sind. Sie schreiben selbst von der menschlichen Bequemlichkeit und dem inneren Schweinehund. Wenn die Widerspruchslösung diese Bequemlichkeit beim Thema Organspende beendet, dann hätten alle gewonnen - vor allem die Angehörigen. Sich zu Lebzeiten nicht für oder gegen eine Organspende zu entscheiden ist für die Angehörigen, die dann im Fall der Fälle in dieser Extremsituation diese wichtige Entscheidung treffen müssen, eine unfassbar schwere Bürde. Dies sollte man seinen Angehörigen nicht antun, weil es sie oft überfordert.

Die Vergütung in Entnahmekrankenhäusern
Eine Hirntod-Diagnostik für eine mögliche Organentnahme ist eine aufwendige Prozedur. Diese, und auch die spätere Organentnahme mit verschiedenen Entnahme-Teams (eingeflogen von anderen Transplantations-Krankenhäusern) sind eine zeitraubende, den Klinikalltag durcheinander bringende Aktion. z.B. müssen für eine Organentnahme, die zeitnah erfolgen muss, andere geplante OP-Termine verschoben werden. Für diese entstehenden Kosten verlangen die Kliniken verständlicherweise einen Ausgleich.
Ich wage mal einen Vergleicht: Was wäre, wenn Sie z.B. alle 14 Tage von Ihrem Schreibtisch vertrieben werden und nicht arbeiten könnten, weil ein Notfall diesen Schreibtisch belegt. Dies passiert nicht nur einmal, sondern mehr oder weniger regelmäßig. Sie können nicht so arbeiten, wie Sie wollen und wie Sie es geplant haben. Was wäre Ihre Konsequenz oder Ihr Anspruch? Genau. Sie verlangen eine angemessene Entschädigung. So verhält es sich auch mit den Krankenhäusern.

Der Hirntod
Die Hirntod-Diagnostik wurde nicht „erfunden“, um Menschen zu möglichen Organspendern zu machen, sondern um Leid zu ersparen. Bei einigen Menschen hängt das Leben nur noch an Maschinen. Der Vorteil der Intensivmedizin gerät dabei leider manchmal zum Nachteil für den schwerstkranken, nicht heilbaren Patienten. Um diesen Patienten zu helfen, sprich: ihnen ein lebensverlängerndes „Dahinvegetieren“ zu ersparen, wurde die Hirntod-Diagnostik eingeführt. Sie ermöglicht Ärzten und Angehörigen die Maschinen abzuschalten, wenn der Patient/Angehörige in so einer ausweglosen Situation ist und keine Hoffnung auf Besserung besteht.

Ich bitte Sie eindringlich bei Ihrem nächsten Organspende-Kommentar besser zu recherchieren. Schlagworte wie Erstarztteillager oder Zwangsausschlachtung haben in einer seriösen Zeitung wie der FAZ bei diesem Thema nichts zu suchen.

(Ende.)

Leider konnte ich, nachdem ich den Text geschrieben hatte, meinen Kommentar nicht mehr auf der Webseite der FAZ posten (das war zu dem Zeitpunkt, also zwei Tage nach Veröffentlichung, nicht mehr möglicht - warum weiß ich auch nicht). Da der Artikel aber auch auf der Facebook-Seite der FAZ geteilt wurde, habe ich ihn dann wenigsten dort eingestellt.
Eine Reaktion kam nicht. Vielleicht war ich nicht schnell genug. Vielleicht will oder wollte die FAZ auch keine grundierte Auseinandersetzung bei diesem Thema. Vielleicht wollte sie nur Meinungsmache im Stil der BILD machen ... ich weiß es nicht.

Grundsätzlich möchte ich nochmal klar stellen, dass ich nichts dagegen habe, wenn jemand gegen Organspende ist. Dazu hat jeder sein gutes Recht. Bei Journalisten erwarte ich aber eine andere/grundierte Auseinadersetzung mit dem Thema, vor allem wenn sie sich öffentlich dazu äußern.

Insa

P.S. Wer mehr Infos zum Thema braucht, kann z.B. die Webseite www.organspende-info.de besuchen.

1 Kommentar:

  1. Jeder, der sich mir einem Thema grundlegend auseinandergesetzt hat, stößt früher oder später auf Artikel in den Medien, die völlig konträr sind zu dem, was wirklich ist. Die allermeisten Journalisten stehen genau so unter Zeitdruck wie wir alle und schreiben nur noch ab oder geben Vorurteile weiter, weil keine Zeit mehr für tiefergehende Recherchen ist. Ich befasse mich sehr viel mit globaler Politik und kriege jeden Tag Kopfschmerzen, wenn ich die Zeitung aufschlage, weil es ein Unding ist, wie schlecht die Menschen hier "informiert" werden. Es tut mir leid, dass du die Erfahrung nun mit einem Thema machen musstest, dass dir so wichtig ist und mit dem du dich schon viel auseinander gesetzt hast.

    Liebe Grüße an Dich,
    Frieda

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