Wahrscheinlich wären mir diese Gedanken auch gar nicht gekommen, wenn meine Freundin und ihr Mann nicht genau in der Zeit, in der ich auf der Transplantationswarteliste stand, eine Familie gründen wollten. Wir haben alle länger warten müssen als gedacht. Und in dieser Zeit war es manchmal erstaunlich, wie sich unsere Gefühle ähnelten. Auf beide Ereignisse freut man sich und vor beidem hat man auch Angst. Besonders vor all den Veränderungen, die damit verbunden sind, die Unsicherheiten, ob man dem gewachsen ist. Davor, dass es dann kein zurück gibt, dass es eventuell nicht so wird, wie man es sich vorgestellt hat und ganz speziell vor DEM Tag - vor DEM Anruf, dass die Lunge da ist bzw. vor DEM Tag, an dem das Kind zur Welt kommt. Wie wird sich das anfühlen? Wird alles gut gehen? Wie wird das mit dem Schmerzen? Ist das Kind gesund / "passt" die Lunge? Ich meine, dass so eine Lungentransplantation kein Spaß ist und viele Risiken birgt ist klar, aber ich glaube auch keine Schwangere freut sich uneingeschränkt auf den Tag der Geburt mit stundenlangen Schmerzen und dem ganzen Drumherum. Selbstverständlich ging es nicht nur um negative Gedanken oder Ängste, sondern auch ganz viel um unsere Zukunftspläne, wie wir uns unseren neuen Alltag vorstellten und und und.
In dieser Wartezeit gab es aber auch Frust und Trauer, wenn wieder keine Spenderlunge oder Baby in Sicht war. Es gab Tage voller Hoffnung und Tage voller Angst.
Am Ende war meine Lunge ein bisschen schneller (aber ich hatte da dann auch 4 1/2 Jahre gewartet und hing schon an der Herz-Lungen-Maschine). Etwa ein halbes Jahr nach meiner OP, als ich in meinen neuen Alltag einigermaßen angekommen war, verkündete meine Freundin, dass sie schwanger sei. Schon hatten wir ein neuen Lieblingsthema: Essen. Oder genauer: Darf ich das essen? Wir haben uns gegenseitig bedauert, dass wir keine Salami oder Parmesan essen durften. Wenn meine Freundin sich nicht sicher war, ob sie etwas Bestimmtes essen oder nicht essen sollte rief sie mich an. Der Grundtenor war, wenn ich das mit dem heruntergefahrenem Immunsystem essen darf, dann wird sie das als Schwangere auch essen dürfen. Und bei Besuchen bei ihr konnte ich mich darauf verlassen, dass das Tiramisu auf jeden Fall ohne Alkohol und rohes Ei zubereitet war.
Meine Wenigkeit mit meiner Freundin Anja, meiner Schwester Annabell und der kleinen Paulina.
Inzwischen lebe ich seit etwas mehr als fünf Jahren mit meiner neuen Spenderlunge und die süße Paulina wird bald vier. Anja und ich sind jeweils sehr glücklich über unsere Lebensentscheidung. Wobei wir uns auch dabei einig sind: zu 99 % der Zeit lieben wir unser neues Leben! Nur so hin und wieder, ganz kurz, wenn mein Körper oder Paulina zicken, oder nach diversen schlaflosen Nächten, da denken wir mal kurz "verdammt, so wollte ich das nicht" ;-)
Toi toi toi für all Eure Lebensentscheidungen, auf dass sie Euch glücklich machen,
Miriam
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