Wir müssen hier mal über ein wichtiges Thema sprechen: Gendermedizin. Bevor die ersten nun mit den Augen rollen und das als überflüssiges Gender-Gedöns abtun. Halt! So einfach ist das nicht.
Was ist Gendermedizin?
Wikipedia erklärt es so: Gendermedizin (auch geschlechtsspezifische Medizin) bezeichnet Humanmedizin unter besonderer Beachtung der biologischen Unterschiede von Mann und Frau. Sie impliziert eine geschlechtsspezifische Erforschung und Behandlung von Krankheiten.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat übrigens schon 2001 eine Empfehlung heraus gegeben, dass im Gesunheitswesen eine geschlechtsspezifische Gesundheitsvorsorge zu entwickeln und umzusetzten sei... Aber....
Es ist leider so, dass vor allem Männer und ihre Symptome und Beschwerden in Bezug auf Krankheiten in medizinischen Lehrbüchern stehen. Medikamente, Behandlungen und Therapien werden zuerst an männlichen Tieren (meist Mäusen) getestet, danach an Männern. Frauen kommen in Studien nur selten vor, weil sie wegen ihrer hormonellen Schwankungen zu komplex und wegen einer möglichen Schwangerschaft zu risikoreich gelten. Das bedeutet: so gut wie alle Dosierungsangaben bei Medikamenten sind auf den männlichen Körper ausgerichtet.
Das Problem dabei ist: Frauen haben einen anderen Körperbau (kleiner und leichter), sie haben eine stärkere Immunabwehr, einen anderen Hormonhaushalt (mehr Östrogen), einen anderen Stoffwechsel und sie haben oft andere Symptome. Eine Folge dieses Problems ist, dass es bei Frauen manchmal länger mit der Diagnostik dauert, sie oft an Nebenwirkungen leiden und/oder die Medikamente gar nicht anschlagen bzw. eigentlich anders dosiert werden müssten... Denn eine Tablette braucht im weiblichen Körper doppelt so lange bis sie im Darm ankommt. Auch die Aufnahme, Verteilung oder der Abbau der Wirkstoffe läuft hier anders.
Ein verzögerte Diagnostik ist z.B. bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen mehr als schädlich. Ein Beispiel dafür ist der Herzinfarkt: Frauen haben andere Symptome (sie bekommen dabei eher schlecht Luft und haben Bauchschmerzen) und werden deshalb in der Notaufnahme oft wieder nach Hause geschickt. Das ist in so einem Fall wirklich nicht hilfreich...
Auch beim Impfen scheint es einen deutlichen Unterschied zwischen Mann und Frau zu geben. Frauen haben nämlich eine höhere Impfantwort (deshalb auch öfter Nebenwirkungen auf Impfungen). D.h. Frauen produzieren nach einer Impfung mehr Antikörper - was im Gegenzug bedeutet, dass sie eventuell eher eine niedrigere Dosis bräuchten. Verschiedene Impfdosen für Männer und Frauen gibt es aber (noch) nicht.
Was steht im Beipackzettel?
Ich habe in meinem Leben schon sehr viele Medikamente eingenommen. Ich habe viele Beipackzettel gelesen - dass dabei einmal auf einen Unterschied bei der Einnahme oder Dosierung zwischen Männern und Frauen hingewiesen wird, ist mir nicht ein einziges Mal aufgefallen.
Das ist traurig.
Hormonschwankungen durch den weiblichen Zyklus, Verhütungsmittel oder
Wechseljahre zu beachten, verzögern Studien und machen sie teurer. Dies kann aber
kein Grund sein, Frauen komplett außen vor zu lassen.
Bislang hat nur die Charité in Berlin diese Problematik erkannt. Dort gibt es ein Institut, das sich mit Gendermedizin beschäftigt - und dies auch lehrt. Das ist ein guter Weg, der hoffentlich schnell viele Mitstreiter*innen findet.
Ich hoffe, dieses Thema bleibt aktuell und die nachfolgende Generation von Ärztinnen und Ärzten lernt automatisch mit diesen geschlechtsspezifischen Unterschieden umzugehen.
Medikamente für Muko-Betroffene
Diesen Artikel habe ich schon vor etwas längerer Zeit verfasst. Ich wollte dann aber gerne ein paar Pharmafirmen, die Muko-Medikamente herstellen, zu diesem Thema befragen. Schließlich nehmen wir doch täglich (je nach Alter und Schweregrad) locker 10-30 Tabletten am Tag ein... Doch leider konnte ich zu Studien und die Anzahl/Verteilung von Männern und Frauen keine näheren Auskünfte von Pharmafirmen bekommen. Schade.
Kommt gut durch die letzten Wochen des Jahres,
Insa
P.S. Falls Ihr mehr über dieses Thema erfahren wollt, empfehle ich Euch den Podcast "Synapsen" vom NDR. In der Folge "Auf einem Auge blind" geht es um Gendermedizin.
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