Im Zuge dieser Schließung liest man jetzt immer wieder, dass irgendwo irgendwelche internistische Betten zur Verfügung gestellt werden sollen. Aber ganz ehrlich: "Nur" ein Bett in irgendeinem Krankenhaus bringt uns nicht weiter, wenn das entsprechend geschulte Personal und die spezialisierten Ärzte fehlen. Da geht es uns wie vielen schwerkranken Patienten mit seltenen Erkrankungen.
Ich sag es mal so: Wenn Ihr einen raren und kostbaren Oldtimer besitzen, dann werdet Ihr da bestimmt nicht jeden Azubi in seiner ersten Woche ranlassen. Wenn ein Arzt erstaunt sagt: "Ach das geht?", nachdem man erzählte, dass man lungentransplantiert ist, dann fühlt man sich nicht gerade gut aufgehoben. Oder eine Krankenschwester alle Hygienemaßnahmen für nicht notwendig erachet, denn: "Den MRSA (= hochresistenter Problemkeim) hat sowieso fast jeder.", dann graut einem wirklich vor den nächsten Stunden und Tagen. Und wenn dann tatsächlich noch mal ein Physiotherapeut auftaucht und dieser einen dann abklopfen will, was man seit Jahrzehnten nicht mehr macht - dann gute Nacht.
Mit solchen Geschichten könnten wir Krankenhausdauergäste wohl Bücher füllen. Zum Thema Hygiene möchte ich aber auch sagen, dass es dem Personal gar nicht so einfach gemacht wird, sich zum Beispiel an die strengen Regeln bei Mukoviszidose zu halten. Wenn eine Nachtschwester für 40 Patienten verantwortlich ist und diese soll sich bei mehrerern Zimmer immer erst Kittel, Mundschutz und Handschuhe anziehen, dann ist das tatsächlich ein Zeitproblem. Ebenso in den Tagesschichten: Es werden immer mehr, immer schwerer erkrankte Patienten für weniger Schwester. Die Folge ist dann leider oft, dass noch seltener nach den Zimmerinsassen geguckt wird, dass Essen und andere Dinge nur schnell vor die Tür gestellt werden oder Ärzte im Türrahmen flott die neusten schlechten Nachrichten ins Zimmer schreien.
Das zweite Zuhause
Für uns bedeutet ein Krankenhaus aber tatsächlich ein zweites Zuhause. Je schlechter es einem geht, desto mehr Zeit (Monate im Jahr) verbringt man dort. Im besten Fall immer wieder auf der selben Station, mit dem selben Behandlerteam und mit Einzelzimmer mit eigenem Bad. Zum Glück kann ich aber auch hier Bücher füllen mit total schönen Begebenheiten: Ich wurde morgens von allen anwesenden Schwestern mit einem Geburtstagsständchen plus Geschenk geweckt! Schwestern und Pfleger freuten sich über jeden kleinen Fortschritt mit. Oder meine Angehörigen wurden in Krisenzeiten mal mit einem Kaffee versorgt oder es wurde ermöglicht, dass ein Angehöriger in einer besonders brenzligen Phase im Zimmer übernachten konnte.
Weiter will ich jetzt gar nicht auf die medizinischen Gründe eingehen, was ein Einzelzimmer angeht. Für mich war es einfach immer eine Wohltat und entspannend, wenn ich allein in einem Zimmer lag. Ich hatte irgendwann keine Lust mehr meine Krankengeschichte zum hundertausendsten mal zu erzählen und ich wollte auch nicht mehr die millionste Geschichte von meinen Bettnachbarinnen hören. Gerade weil mir auch viele Geschichten sehr nahe gegangen sind. Die Freiheit jederzeit mal das Fenster aufmachen zu können, kann gar nicht hoch genug bewertet werden. Oder wenn man wegen der Atemnot nicht schlafen kann, jederzeit Fernsehen zu können oder Licht zum Lesen anzumachen. Und dafür dann tagsüber einfach mal schlafen zu dürfen, ohne dass fünf Leute am Nebenbett zu Besuch sind.
Dazu kam ja immer noch die ganze Therapie. Das war auch für die Mitpatienten nicht ohne. Mal abgesehen von der Mitternachtsantibiose, habe ich alle vier Stunden (auch nachts) inhaliert und Schleim gespuckt. Das war für die anderen im Zimmer auch kein Vergnügen, gerade als ich noch mit den klassischen lauten Kompressoren inhaliert habe.
Gut erinnere ich mich an eine ältere Dame, die mir nachts den Sauerstoff abgedreht hat, weil ihr das Rauschen und Blubbern zu laut war! Natürlich ließe sich diese Liste weiter verlängern...
Außerdem reisen wir Mukos nicht gerade mit leichtem Gepäck. Ohne zweiten Nachttisch wurde es immer schwierig. Der ganze Inhalationskram, die Maskenbeatmung, das Zubehör für die Atemtherapie, Medikamente und was man so braucht, um die Zeit rum zu kriegen (was zu lesen/schreiben/rätseln, Laptop). Da viele von uns weit von ihrem Zuhause entfernt in die Klinik gehen, hat man natürlich Klamotten für zwei Wochen dabei, weil nicht gegeben ist, dass alle paar Tage Besuch kommt und Nachschub bringt. Das gilt ebenso für Essen und Getränke. Denn die Mahlzeiten im Krankenhaus ist nun mal nicht immer ein Highlight. Oft war ich auch nicht fit genug, mal eben von der Station runter zu gehen, um mir was zu kaufen (abgesehen von den zu hohen Preisen in den meisten Klinikkiosken). In meinem Krankenhaus haben immer schon alle gelacht und meinten, würde ich vom Rest der Station abgeschnitten sein, würde ich problemlos eine Woche autak zurecht kommen. :-) Genauso wär's gewesen.
Obwohl ich mein Zimmer zu Hause gar nicht saisonal dekoriere, hat mir das im Krankenhaus total Spaß gemacht. Fensterbilder, Girlanden und so weiter. Ich konnte auch was an die Decke hängen - ich mußte daür nur das elektrische Bett gaaanz nach oben fahren. :-)
Zugegeben, manchmal nahm das etwas Überhand. So hatte ich zum Beispiel auf der Kinderstation eine zeitlang immer meine Hängematte plus Gestell dabei. Andere kamen mit großen Keyboards und PC-Anlagen (damals gab es noch keine Laptops oder iPads). Oh man, was haben unsere Eltern - meist unsere Mütter - alles in die Klinik geschleppt. Bei einem Muko-Freund sind die Eltern früher als er selbst in der Klinik eingetroffen, um alles fertig aufzubauen. Und eine Patientin, die neun Monate in der Klinik auf eine Lunge gewartet hat, hatte sogar zwei kleine IKEA-Schränkchen im Zimmer.
Für nicht Betroffende wirkt das bestimmt sehr seltsam, gerne auch verwöhnt. Aber wenn man so oft im Krankenhaus lebt und alles an Privatsphäre aufgeben muss, kann eine bunte Wolldecke den Unterschied machen.
Miriam
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