Samstag, 25. Januar 2020

Ersatz-Muko-Mama an Bord

Im letzten Blogbeitrag habe ich angefangen von meiner großen Reise zu berichten (Zwischen Vorfreude, Thomas Cook Pleite und gebrochenen Knochen). Aber mich für die schönsten Urlaubserinnerungen und -fotos zu entscheiden, fällt mir echt schwer. Daher möchte ich Euch heute erst einmal von meiner "Ersatz-Muko-Mama" an Bord erzählen. Unser Schiff, die Costa Luminosa, fasst ca. 2800 Passagiere. Erstaunlicherweise trifft man trotzdem recht schnell immer wieder dieselben Menschen. Wir haben wirklich tolle Bekanntschaften gemacht. Sehr erstaunt war ich, dass sehr viele an Bord Mukoviszidose kannten und einen Bezug dazu hatten. Da war zum Beispiel eine ältere Australierin, deren Nachbarn haben 7 Kinder und 4 davon waren an Muko gestorben (vor vielen vielen Jahren) oder unsere Kabinennachbarin, sie war früher Erzieherin und hatte im Kindergarten ein Muko-Kind.

Hast du Mukoviszidose?


Ganz besonders rührend war allerdings folgende Begegnung:
Eine Engländerin, auch im Rollstuhl, hatte ich schon einige Male gesehen und auch kurz gesprochen. Eines Abends fragte sie mich schließlich, was ich denn hätte. Nach dem ich sagte, dass ich wegen Mukoviszidose (bzw. in englisch Cystic Fibrosis) lungentransplantiert sei, meinte sie nur, dass sie sich das schon gedacht hätte und ich sah die ersten Tränen schimmern. Ihr Sohn war mit 23 Jahren an Mukoviszidose gestorben. Aufgrund vieler spezieller Keime konnte er nicht mehr transplantiert werden. Es folgten etliche Tränen - auf beiden Seiten - und viele herzliche Umarmungen. Natürlich muss man sich nicht zwingend sympatisch sein, weil man eine Erkrankung teilt, aber wenn dann ist es irgendwie gleich eine besondere, innigere Verbundenheit zueinander. Wir haben in den folgenden Tagen noch häufiger mit Marina und ihrem Mann Kevin zusammengesessen und Muko-Geschichten ausgetauscht. Ich finde es immer wieder erstaunlich, dass einige Muko-Erfahrungen international sind. Es gibt ja diesen Klassiker beim Essengehen: Viele von uns Mukos sehen viel jünger aus als wir sind. Wenn es dann mit Freunden - oder noch peinlicher als Date - zum Beispiel zum Griechen ging, dann gab es hinterher für alle Ouzo... für mich gab es einen Lutscher. Ich sehe schon die ersten lachen und "kenn ich" schreien :-) . Ja, auch meine englische Muko-Familie lachte und erzählte ähnliches. Es war wirklich schön mit meiner Ersatz-Muko-Mama. Annabell wurde jedes Mal ermahnt gut auf mich aufzupassen und der Abschied am Ende der Reise war wieder sehr emotional. Wir wollen aber in Kontakt bleiben und darauf freue mich.


Gut aufgehoben


Auch das Thema Organtransplantation begleitete mich an Bord. Während der Atlantiküberfahrt waren Annabell und ich einer Quiztruppe beigetreten und eine Dame in der Gruppe hatte ihren Mann nach der zweiten Lebertransplantation gehen lassen müssen. Das nette Ehepaar unserer Quiztruppe nahm mich netterweise im weiteren Verlauf der Reise mit zum Rochen-Schwimmen. Nachdem ich kurz zuvor in einen Unterzucker gerauscht war, wollte ich den beiden erklären, dass ich Zucker brauche wenn ich irgendwie "komisch" werde. Da stellte sich heraus, das die Frau Ärztin ist - ich war also bestens aufgehoben. Es sind doch immer wieder solche Zufalle, die das Leben spannend machen. :-)

Trauer und Freude


Übrigens habe ich schon auf meiner ersten Kreuzfahrt im Jahr 2000 eine überraschende Muko-Begegnung gehabt - und das bei gerade mal 750 Passagieren. Während der Durchquerung des Kanal von Korinth standen und saßen fast alle Passagiere an Deck. Ich hatte damals schon Sauerstoff und plötzlich stand ein Mann neben mir und fragte, ob ich Mukoviszidose hätte. Ich antwortete mit ja und fragte ihn, wie er darauf kommen würde und dass das die wenigstens kennen. Er erzählte mir, dass seine Tochter - etwa in meinem Alter - ein Jahr vorher an Muko verstorben sei.  Seine Frau kam, sah mich .... und ging. Er wiederum erzählte mir lange von seiner Tochter und verschwand daraufhin in der Menge. Mir tat das so leid damals, und ich hatte fast ein schlechtes Gewissen. Da machen sie nach dieser schlimmen Zeit wahrscheinlich die erste Reise um mal auf andere Gedanken zu kommen und dann sitze ich da und erinnere sie an all das, was sie verdrängen wollten.

Mukoviszidose und Transplantationen sind ja zum Glück nicht so häufig. Aber ich schaffe es trotzdem immer genau den Menschen zu begegnen, die mit diesem Schicksal belastet sind. Im ersten Jahr nach der Doppellungentransplantation war ich mit meiner Schwester wieder einmal in Kassel und das erste Mal konnte ich durch den Park zum Schloss laufen, Wahnsinn. Ich war so glücklich und total emotional. Wir fragten einen Ehepaar, ob sie ein Foto von uns machen könnten. Nachdem ich schon wieder Tränen in den Augen hatte, fragte die Frau mich, ob alles okay sei. Nach meiner kurzen Erklärung fing sie wiederum an zu weinen. Ihr Sohn war in der Wartezeit auf eine Lunge gestorben. Oh nee, ich hab es echt drauf. Natürlich kann ich nichts dafür, aber trotzdem immer ein blödes Gefühl, jemand zum Weinen zu bringen.

Wobei sowohl die Dame in Kassel als auch meine Muko-Mama an Bord versicherten das sie nur weinen, weil sie sich so für mich freuen, dass ich es geschafft habe und es mir gut geht. Und das glaube ich auch, das ist sicher ehrlich gemeint gewesen. Aber trotzdem schwingt da natürlich auch die Trauer um den Verlust und all das erlebte mit. 

Liebe Grüße nach England und an alle Muko-Familien dieser Welt,
Miriam

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