Sonntag, 8. November 2020

Warum ein Dickkopf manchmal recht hilfreich ist

Ich möchte hier nichts verallgemeinern und kann natürlich nur von mir und meinen Muko-Freunden ausgehen. Aber "wir" haben meist einen ganz schönen Dickkopf - im positiven Sinne. Wir lassen uns so schnell nicht unterkriegen. Manchmal mag das für unser Umfeld anstrengend sein, aber mir und sicher auch anderen Mukos hat dieser starke Wille schon oft den Hintern gerettet. Wenn ich hier bei mir eine schnelle Umfrage dazu machen würde, dann würde allen sofort einfallen, dass ich 2016, als ich aus dem Koma aufgewacht bin und endlich mit einer Sprechkanüle etwas sagen konnte, als erstes gebeten (oder andere sagen befohlen) habe, dass keiner unseren geplanten Disneyurlaub absagen sollte. Total bescheuert, aber das war an den wachen Tagen, an denen ich mich aber noch nicht mitteilen konnte, irgendwann meine größte Sorge. Für Außenstehende sicher nicht nachvollziehbar. Aber es ist zum einen eine Art Schutzmechanismus sich auf so etwas total anderes zu fokussieren und zum zweiten hat es mir bisher immer geholfen ein Ziel zu haben. Während ich darüber nachdenke war es 2009 bei meinem "Besuch" auf der Intensivstation auch der anstehende Disney-Urlaub. Ich erkenne einen roten Faden *lach*. 

Vor einem Jahr um diese Zeit.

Warum ich gerade in diesen Tagen daran denken muss, liegt daran, dass ich vor einem Jahr mit meiner Schwester zu unserer absoluten Traumreise aufgebrochen bin - und Disney hat überraschenderweise mal nichts damit zu tun. Ein Jahr lang haben ich und mein armer Reisebüromensch geplant, umgeplant, Pleiten und plötzliche Absagen gehändelt. Der Elektrorollstuhl erwies sich als schwierig und Medikamente, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen machen es auch nicht einfacher. Zwischendurch wurden im Umfeld immer mal Stimmen laut, warum wir uns das antun und es doch lassen sollten. Wie gesagt, Dickkopf oder inzwischen schon eher extremer Trotz. Kurz vor dem Reisestart, als eigentlich alles fertig organisiert war, habe ich mir dann gleich beide Vorfüße gebrochen. Und wieder wurde mir von fast allen Seiten geraten die Reise abzusagen, zu verschieben. Nein, nein, nein, auf gar keinen Fall. Nicht nach dem ganzen Stress. Wir wollten nach Venedig fliegen und von dort auf ein Kreuzfahrtschiff, damit über den Atlantik und noch einen Abstecher in New York machen. Ich wusste, ich muss es nur irgendwie bis auf das Schiff schaffen, dann kann ich den ganze Tag im Rollstuhl sitzen und es wird schon werden. Schmerzen hätte ich zu Hause genauso.


Danke lieber Dickkopf!

Gesagt getan. Das Sanitätshaus hat mir im letzten Moment noch die Verbandsschuhe organisiert und wir sind die Reise angetreten und trotz einiger Schwierigkeiten war es so unbeschreiblich wundervoll. Schon letztes Jahr war ich unglaublich dankbar, dass ich diese Reise machen durfte. Aber jetzt, rückblickend, finde ich gar keine Worte dafür wie dankbar ich meinem Dickkopf bin, dass ich diese Reise nicht abgesagt habe. Durch die Corona-Pandemie hätte ich diese Fahrt nicht nachholen können (auch nicht in absehbarer Zeit). Diese Enttäuschung mag ich mir gar nicht vorstellen. Schon zu Beginn der Pandemie Ende Februar, Anfang März haben Insa und ich gesagt, dass Reisen, vor allem eben größere Reisen ins Ausland, für uns für mindestens ein, zwei Jahre vorbei sind und viele Gesprächspartner waren entsetzt. Dabei ging es nicht darum pessimistisch zu sein, sondern für uns waren das realistische Überlegungen in Bezug auf Impf- und/oder Medikamentenentwicklung, bzw. überhaupt die Erforschung des neues Virus. Aus Erfahrung wissen wir, das geht nicht von heute auf morgen. Ich stelle mich persönlich dann lieber auf eine etwas längere Zeit ein, um nicht alle paar Wochen vorhersehbar enttäuscht zu sein. Das heißt nicht, dass ich darüber glücklich bin und mir das egal ist. Natürlich würde ich lieber etwas unternehmen - aber heulen bringt ja auch nichts. Also versuche ich das Beste daraus zu machen. 

Nachdem ich im letzten Jahr so begeistert war, ist es schon ein großer Wunsch noch einmal an ein warmes Meer zu fahren, wo ich unter Wasser Fischeschwärme an mir vorbei ziehen sehen kann. Das war so ein Wunder, ach ich könnte mal wieder seitenlang schwärmen... Bevor es für mich soweit ist, wird aber wohl noch sehr viel Zeit vergehen. Ob das für mich überhaupt mal wieder in Frage kommt? Wir werden sehen. Mein Dickkopf wird mir rechtzeitig bescheid sagen:-).

Lasst uns zusammen in schönen Erinnerungen schwelgen,
Miriam


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