Es gibt so Zeiten im Leben, die würde ich in jeder Daily-Soap im Fernsehen für total unglaubwürdig und übertrieben finden. Das kennen sicher einige von Euch.
Die letzten Wochen habe ich manchmal beim Einschlafen diese theatralische Abspannmusik erwartet "dramatische Fortsetzung folgt morgen". Es waren erst einmal gar keine großen Katastrophen - ich meine nach Lungentransplantation und Koma liegt die Latte für Dramen auch echt hoch. Aber es waren so viele endlose Kleinigkeiten und mittelgroße Sachen... jetzt dürfte mein Leben gern wieder ein bisschen langweiliger werden.
Nur mal die Beispiele aus dem Juni: Vor einiger Zeit wurden meine Nierenwerte plötzlich immer schlechter und ich hatte furchtbare Schmerzen, so dass zum Wochenende entschieden wurde, dass ich lieber ins Krankenhaus soll. Auf dem Weg ins Krankenhaus ist uns auf der Autobahn ein Reifen geplatzt. Dazu muss ich noch sagen, dass mein leiblicher Vater vor rund 40 Jahren auf dieser Strecke tödlich verunglückt ist wegen so eines geplatzten Reifens. Er hat wohl schützend seine Hand über uns gehalten, denn mein (Stief-) Dad konnte den Wagen ohne Unfall auf dem Seitenstreifen zum Stehen bringen.
Nach ein paar Tagen Antibiotika durfte ich wieder nach Hause. Aber noch während ich meine Sachen im Krankenhaus einpackte, wurde meine Mutter für eine Notoperation am Wirbelkanal in ein anderes Krankenhaus eingeliefert. Sie hat zum Glück alles gut überstanden und ist nun das zweite Mal in diesem Jahr in der Reha.
Zwischen den Besuchen bei meiner Mutter, habe ich meinen neuen Rekord an Arztbesuchen in einer Woche aufgestellt und saß am Wochenenden wieder in der Notaufnahme - dieses Mal mit einer Bekannten, die sich den Arm gebrochen hatte.
Foto: Dieter Schütz / pixelio.de
Am darauffolgenden Wochenende war ich wieder in der Notaufnahme: akuter Gichtanfall im Knöchel. Ein tolles Geburtstagsgeschenk. Dank einer extra Portion Kortison geht es mir schon wieder viel besser. Trotzdem haben diese Wochen echt Kraft gekostet und ich bin froh das der Juni vorbei ist und mit dem neuen Monat auch die Pechsträhne (bitte!) endet.
Hoffen wir mal, dass dieses Wochenende entspannter und ohne Drama abläuft.
Vor einiger Zeit durfte ich für die Vereinszeitung des Mukoviszidose e.V. "muko.info" den Rapper "Phoenix Beatz" interviewen. Hinter dem Künstlernamen verbirgt sich Patrick, 22 Jahre alt und eigentlich gelernter Bürokaufmann, außerdem hat er Mukoviszidose.
Seit 2010 ist Patrick Produzent und seit 2012 rappt er selbst. Bei unserem Gespräch erzählte er mir, dass Musik immer schon ein Teil seines Lebens war. In den Liedern verarbeitet er u.a. seine Erfahrungen mit der Erbkrankheit. Ich finde seine Lieder recht kraftvoll, allerdings manchmal auch recht düster. Ich habe aber auch sehr großen Respekt vor dem was er macht, da ich selbst weiß, wie schwierig es manchmal mit der Luft und der Atmung ist... und dann noch singen z.B. in einem vollen Club mit schlechter Luft. Das ist schon anspruchsvoll.
Jetzt ist Phoenix Beatz beim Jugendfestival Courage dabei. Dieses Festival ist das größte Jugendfestival in Nordrhein-Westfalen und findet morgen, am 23. Juni 2018, im Museumspark Schloss Moyland statt. Unter dem Motto "Für Toleranz - gegen Gewalt" sollen Menschen aus verschiedenen Kulturen und sozialen Schichten zusammengebracht werden. Phoenix Beatz geht als "Local Hero" an den Start. Neben ihm sind z.B. noch Tim Bendzko, Amanda und Mike Singer auf der Bühne. Großes Kino!
Viel Erfolg und viel Spaß auf der Bühne Patrick!
Insa
Vorgestern war ich mal wieder im Kino. Zu sehen gab es den französischen Film "Die Lebenden reparieren", in dem es um Organspende geht. Die Filmvorführung wurde von der MHH-Studentengruppe "Aufklärung Organspende" organisiert, dazu gab es im Anschluss eine Podiumsdiskussion bzw. eher ein Podiumsgespräch zum Thema Organspende.
Ich hatte bislang nicht wirklich viel über diesen Film gehört (es ist die Verfilmung eines Buches) außer ein wenig Lob und habe mich deshalb sehr auf diesen Abend gefreut. Aber ich sage es gleich: Ich fand den Film eher enttäuschend.
Erstmal zum Inhalt: In "Die Lebenden reparieren" wird die Geschichte von zwei Familien erzählt. Da ist zum einen der 17-jährige Sohn eines Ehepaares, der nach einem Autounfall ins Krankehnaus eingeliefert wird. Dort werden schwerste Hirnschädiungen festgestellt. Beim Gespräch mit den Eltern erklären die Ärzte, dass die Schädigungen am Gehirn des Sohnes so schwer sind, dass dieser den Unfall nicht überleben wird. Dann kommen die Ärzte auf das Thema Organspende zu sprechen, da seine inneren Organe noch funktionieren und fragen nach, ob der Sohn eine Meinung zum Thema Organspende hatte. Die Eltern sind nach dieser Nachricht fix und fertig, sprechen sich gegen eine Organspende aus und verlassen das Krankenhaus.
Nun sieht man im Film eine Rückblende auf den Sohn und wie er seine Freundin kennengelernt hat. Das ist tatsächlich die schönste Szene im Film, die allerdings die Geschichte nicht wirklich weiter bringt...
Die Eltern kommen wieder ins Krankenhaus und sind nun für eine Organentnahme (allerdings möchten sie, dass er die Augen behält).
Im zeiten Teil wird die Geschichte der anderen Familie erzählt: eine herzkrankte Mutter (schätzungsweise um die 50) mit zwei erwachsenen Söhnen zieht in die Stadt in die Nähe ihres Krankenhauses. Wie das Ganze zeitlich zur anderen Geschichte einzuordnen ist, kann der Zuschauer dabei schlecht einschätzen. Der herzkranken Mutter wird von ihrer Ärztin gesagt, dass sich ihr Herzproblem verschlechtert hat und ihr nur eine Herztransplantation helfen kann.
Irgendwann dann bekommt die Ärztin den Anruf, dass ein Spenderherz für ihre Patientin zur Verfügung steht (nämlich das vom 17-jährigen).
In den folgenden Szenen sieht man die Vorbereitungen für die Organentnahmen und auf der anderen Seite die Vorbereitungen für die Transplantation. Die Entnahme-OP des Herzens und auch das spätere Einsetzen in den neuen Körper wird dabei sehr anschaulich und detailliert gezeigt.
In der Schlussszene öffnet die Herzpatientin die Augen... die Sonne kommt raus und scheint auf ihr Bett, sie lächelt.
Das wars.
Es hätte ein schöner Film sein können. Die Idee für diese beiden Geschichten ist wirklich gut. Aber leider wird das alles irgendwie "unrund" erzählt. Der Film ist wirklich sehr langsam und sehr ruhig erzählt und kommt ohne viel Dialoge aus. Ich denke, das ist für mich das größte Manko. Dadurch, dass sich die Protagonisten nur wenig unterhalten lernt der Zuschauer sie gar nicht richtig kennen und kann sich nur bedingt in sie hineinversetzen.
Wer diesen Blog etwas regelmäßiger liest, der weiß, dass ich seit meiner Lungentransplantation sehr nah am Wasser gebaut bin. Es braucht nicht viel um mich zum Weinen zu bringen. Bei diesem Film hatte ich nicht einmal das Gefühl ergriffen zu sein oder weinen zu müssen - und das bei diesem Thema. Das fand ich krass.
Das nächste Manko des Film sind für mich die fehlenden Schlüsselszenen. Warum ändern die Eltern ihre Meinung zum Thema Organentnahme/Organspende? Das wird überhaupt nicht gezeigt.
Wie kommt man in Frankreich auf die Warteliste? Ich gehe davon aus, dass es ähnlich wie bei uns ein längerer Prozess mit diversen Untersuchungen ist. Hier im Film lief das so:
Ärztin: "Ihr Zustand hat sich weiter verschlechtert... Sie wissen was ich ihnen sagen will?"
Herzpatientin: "Ja."
Ärztin: "Sie brauchen eine Herztransplantation."
Herzpatientin: "...Ich weiß nicht, ob ich mit einem Herz eines Toten leben will."
Ärztin: "...Sie müssen sich bald entscheiden."
Herzpatientin: "Ja."
Ärztin: "Gut. Sie müssen ab jetzt immer mit dem Handy erreichbar sein. Das ist wichtig."
Ende der Szene.
Das fand ich ein wenig schwach.
Komplett unrealistisch ist für mich das Ende des Film. Dabei wurde vorher fast alles sehr wirklichkeitsnah dargestellt. Gerade die Krankenhaus- und OP-Szenen fühlten sich echt an und waren so, wie ich sie auch beschreiben würde. Doch dann kommt dieser Bruch: Die Patientin öffnet nach der OP die Augen (dabei sieht sie sehr erholt aus), die Sonne kommt raus und scheint auf ihr Bett und alles, alles ist gut!? Hallo? Sonst noch was? Das passt so überhaupt nicht zusammen. Ich hätte es wirklich passend gefunden, wenn auch hier gezeigt worden wäre wie es wirklich ist. So ein Eingriff schlaucht. Und es ist nicht so, dass Patienten danach aus dem Bett hüpfen als wäre nichts gewesen.
Mich hat der Film leider nicht in seinen Bann gezogen. So wie die Personen dargestellt wurden, war alles ein wenig gewollt. Schade.
Es würde mich interessieren, ob dies nur mein Problem ist (weil ich in der Thematik zu Hause bin) oder ob es auch denen so geht, die sich mit Organspende noch nicht auseinander gesetzt haben.
(Ich habe mir dazu eine Kritik auf youtube angesehen und dort ist von einem "schnörkellosem Drama" die Rede, das einen "bis ins Mark berührt". Ok. Vielleicht sind meine Ansprüche einfach zu hoch?)
Mit dem Film war jedoch der Abend noch nicht zu Ende. Es gab im Anschluss noch eine hochkarätig besetzte Podiumsrunde. Mit dabei waren ein Chirurg und ein Seelsorger aus der MHH, jemand von der DSO (Deutsche Stiftung Organstransplantation), ein Professor der Philosophie und eine Gegnerin der Organspende (eine Mutter, die vor 33 Jahren ihren Sohn zur Organspende freigegeben hat und dies seither bereut.)
In der Runde wurde (vom Chirugen) nochmal klargestellt, warum es überhaupt die Hirntod-Diagnostik gibt - und dies hat nichts mit Organspende zu tun. In den 1950er Jahren gab es viele Patienten, die z.B. nach OPs nicht mehr aufgewacht sind und auch nach längerer Behandlungszeit + Therapie keine gesundheitliche Besserung zeigten. Damit diese Patienten nicht mehr leiden müssen und auch um ihre Angehörigen nicht weiter im Unklaren zu lassen, haben Ärzte die Hirntod-Diagnostik eingeführt. Eine Diagnostik, die es den Ärzten und auch Angehörigen erlaubt die Geräte von schwerstkranken Patienen abzuschalten.
Ich fand auch interessant, dass es in anderen Länder eine viel offenere Diskussion über Organspende gibt. In Dänemark ist es selbstverständlich bei einem ersten Arztgespräch (egal was das gesundheitliche Problem ist) aufzuzählen: Das sind meine Allergien, dies sind meine Vorerkrankungen und ich bin Organspender.
Gerade in den skandinavischen Ländern ist dies ein alltägliches Thema mit dem sich die Menschen auseinandersetzten.
Vielleicht bekommen wir das auch noch hin.
Insa
Gestern war ich mit meinem Mann zum ersten Mal auf einem Baumwipfelpfad. Ganz großes Kino - aber auch anstrengend.
Zuerst werden die Besucher (ich nenne es mal) eine Spirale hinauf auf ca. 15- 20m hochgeleitet (zu Fuß) - mit einer stetigen Steigung von 6%. Dort oben waren wir dann auf der Höhe der Baumkronen und konnten durch die Baumwipfel gehen. Das ist schon sehr, sehr nett, mal so hoch oben zu sein und nicht nur die Stämme im Wald zu sehen.
Später ging es nochmal eine längere Spirale hinauf, so dass wir 40m über dem Boden waren und damit über allen Bäumen. Das war eine Wahnsinns-Aussicht. Wir hatten einen Rundumblick über Rügen (naja, weite Teile) und die Ostsee und den Bodden (ja, wir waren im Urlaub!).
Blick auf die Ostsee und hinten rechts, sozusagen in der Bucht: Binz
Es war recht windig da oben und ich war mir nicht sicher, ob nicht alle Fotos durch den Wind verwackelt sind... Glück gehabt.
Ich fand es ein wirklich schönes und eindrucksvolles Erlebnis. So einen Baumwipfelpfad wollte ich schon immer mal langgehen und es hat sich wirklich gelohnt. :-)
Allerdings ist es auch echt anstrengend so viel Steigung und vor allem so lange eine Steigung hochzugehen. Vor meiner Transplantation wäre das nicht möglich gewesen. Was für ein großes Glück ich doch habe, sowas nun erleben zu dürfen.
Wir beide auf Höhe der Baumwipfel
Es beruhigt mich immer, wenn mein Mann nach solchen Aktionen genauso kaputt und erschöpft ist wie ich! (Ich muß dazu sagen, dass wir davor locker eine Stunde "Wanderung" bis zum Pfad hingelegt haben - es war ein fuss-lastiger Tag!)
Hinterher gabs Waffeln und Kaffee zur Stärkung. :-)