Letze Woche haben ich mir meinen ersten "einfach-nur-so-auswärts-Kaffee" 2020 gegönnt. Das hat aber ausnahmsweise mal nichts mit Corona tun (oder nur sehr bedingt). Ich bin ein Dorf- beziehungsweise Kleinstadtkind. Wir gehen nicht einfach so Kaffeetrinken, wir brauchen einen Grund: Geburt, Geburtstag, Hochzeit, Beerdigung. Eventuell noch mit besonderem Besuch. Aber nur so und dann noch allein, dass kommt eher nicht so häufig vor.
Jetzt muss ich ein wenig ausholen: Die letzten Wochen bei mir zu Hause waren echt chaotisch - gefühlt sage ich seit 10 Jahren nichts anderes. Ich wohne mit meiner Schwester und meinen Eltern zusammen und leider haben wir alle gesundheitliche Einschränkungen. Unser System funktioniert auf einer sehr fragilen Ebene und wenn ein weiteres Problem hinzukommt, stürzt alles wie ein Kartenhaus zusammen. Meine Mutter kann nach mehreren Rückenoperationen gerade noch so im Haus mit Rollator gehen und war jetzt noch einmal in der Reha. Es lief gut an, aber dann ist sie gestürzt und hat sich Kreuzband und Meniskus im Knie gerissen. Damit sollte sie sofort nach Hause, konnte aber nicht alleine aufstehen und natürlich auch nicht selbstständig gehen. Wer sollte ihr helfen bei uns zu Hause? Es folgten viele Stunden Diskussionen in der Notaufnahme bevor sie aus Kulanz aufgenommen wurde. An dieser Stelle war es echt ein Glück, dass Schwestern Dienst hatten, die mich schon viele Jahre kennen und dem Arzt auch noch einmal klar gemacht haben, dass ich nicht so zerbrechlich aussehen mag, aber eben selbst kaum kann. Wir bekamen zwei Wochen Zeit alles zu organisieren, umzuräumen, uns irgendwie darauf einzustellen und Mama wurde beigebracht wie sie jetzt zumindest ins stehen kommt. Dazu kommen meine ganzen Baustellen weswegen ich auch jede Menge Untersuchungen und Arzttermine abarbeiten muss, während der "Alltag" mit Physio und Co, Haushalt etc natürlich weiterläuft. Jedes mal wenn ich dachte: "So, morgen ist mal nichts, alles ist erledigt." folgten am nächsten Tag neue Dinge die geregelt werden mussten. Gefühlt habe ich 500 Telefonate geführt und es gab keinen Tag wo ich nicht bei Ärzten, Sanitatshaus und Apotheke war. Und dieser ganze körperliche und emotionale Stress hat natürlich auch gleich wieder schlimme Schmerzschübe ausgelöst. Kommt ja dann immer alles zusammen.
Letzte Woche Montag war ich also wieder wieder seit 7 Uhr unterwegs zu Untersuchungen und stand dann um 10 Uhr vor der Tür der Praxis, in der Nähe des Markplatzes und die Sonne schien noch mal so richtig toll. Da kam mir der Gedanke mir eine halbe Stunde Auszeit zu gönnen - einfach so. Sofort meldete sich mein schlechtes Gewissen, ich sollte die Zeit lieber vernünftig nutzen: Küche und Wäsche warten, Papierkram erledigen, aufräumen, Vereinsarbeit machen, Blog und social media aktualisieren, endlich mal Freunden antworten, Sport machen oder einfach mal schlafen. Aber sein wir ehrlich, mit großer Wahrscheinlichkeit hätte ich in dieser halben Stunde (na ja, waren dann 45 Min) nicht wirklich viel von dem geschafft. Außerdem wusste ich, dass meine Mutter drei Tage später nach Hause kommt und dann würde es in naher Zukunft keine so günstige Gelegenheit für eine kleine Auszeit mehr geben.
Also habe ich mir einen Milchkaffee bestellt und habe nach kurzem Kampf mit mir selbst entschieden in dieser Zeit auch keine WhatsApp und Emails zu beantworten oder Blogs und Instagram nachzulesen. Ich habe mir ein Hörbuch angemacht, die Sonne im Rücken und den Kaffee genossen - auch wenn ich ein bisschen dazu brauchte um runterzufahren. Was soll ich sagen, es tat unfassbar gut und ich weiß, ich müsste so etwas eigentlich häufiger machen.
Dabei weiß ich im Grunde auch genau, dass solche kleinen Auszeiten unglaublich wichtig sind um bei Kräften zu bleiben - körperlich, aber auch mental. Selbstfürsorge ist das Stichwort! Trotzdem fällt es mir oft schwer abzuschalten, wenn ich im Kopf diese 100 To-do-Listen habe.
Daher... lasst uns virtuell gemeinsam einen Kaffee trinken und ein paar Minuten abschalten,
Miriam