Montag, 28. März 2022

Eigentlich...

Eigentlich kenne ich meinen Körper gut.
Eigentlich kann ich meinen Gesundheitszustand gut einschätzen.
Eigentlich weiß ich auch, dass ich manchmal ein bisschen streng mit mir bin.

Ja eigentlich. Trotzdem gibt es Situationen wo ich erst im nachhinein merke - oder mir erst dann zugestehe - , dass es mir wirklich nicht gut ging. Seht Ihr, auch hier will ich gar nicht "schlecht ging" schreiben, denn ich hatte schon ganz andere, wirklich schlechte Phasen.

Etwa ab Mitte Januar war irgendetwas nicht in Ordnung. Meine eh vorhandene Erschöpfung und Müdigkeit steigerte sich sich noch einmal enorm. Manchmal war ich froh 90 Minuten am Stück wach zu sein. In so vielen Momenten hätte ich am liebsten geheult, weil ich aufstehen musste. Andererseits war ich aber auch "im Kopf" müde. Die letzten Monate waren wieder einmal so anstrengend, dazu die Corona-Diskussionen und Ängste (und inzwischen noch der Krieg in der Ukraine). 
 
Mir fiel es unendlich schwer Sachen abzuarbeiten - aber ist das nicht immer so? Meist schaffe ich es irgendwie alles offizielle, vermeintlich Wichtige zu erledigen. Aber Freunde, persönliche Kontakte gehen mir dabei verloren, weil ich dazu keine Kraft und Energie mehr habe. Eine einfache Whatsapp oder Email kann so eine Hürde sein, das können sich die meisten natürlich gar nicht vorstellen. Alles war mir zu viel. Gleichzeitig kamen wieder die üblichen Zweifel: Streng dich einfach mehr an, du bist einfach nur faul, kann doch so schwer nicht sein, vielleicht ist es auch gar nichts körperliches sondern meine Psyche (was aber auch eine echte Krankheit und keine Faulheit wäre). Dabei gab es auch ganz objektive Anzeichen dafür, dass etwas in meinem Körper nicht rund lief. Meine Nierenwerte stellten neue Rekorde im Negativen auf, meine Lungenfunktionswerte waren niedrig, die Entzündungswerte dafür hoch und auch andere Blutwerte waren nicht wie sie sein sollten. Ich wurde auch wieder häufiger darauf angesprochen, dass ich so pustig/kurzatmig bin. Aber da war kein Husten, kein Schnupfen, kein klassisches Krankheitssymptom. 
Miriam auf der Terrasse, auf dem Tisch ein Diamond Painting Bild und unter dem Tisch Kater Nepi.

Nach und nach wurden die Blutwerte zuletzt wieder besser und meine Nieren und Lungenfunktion stabilisierten sich. Die letzten zwei Wochen waren die ersten Wochen in diesem Jahr ohne Arzttermin. Ich dachte schon ich hätte was vergessen im Kalender einzutragen. Und ganz schlagartig wurde mir in den letzten Tagen bewusst, wie gut es mir gerade geht. Ich habe letzte Woche ganz automatisch, ohne mich furchtbar zwingen zu müssen, einige Dinge für die Selbsthilfe erledigen können, habe angefangen ein bisschen was aufzuräumen, was in den letzten Monaten liegen geblieben war und habe auch wieder etwas an meinen Hobbys gearbeitet. Außerdem schlafe ich tagsüber nicht mehr unendliche Stunden, sondern genieße einfach zwei Stunden auf der Terrasse mit dem schönen Wetter. Auch meine Heizdecke kommt weniger zum Einsatz. Es gibt wieder Nächte und Tage ohne Frierattacken. Klar ist es immer noch nicht perfekt und wie ich es gerne hätte (da haben wir sie wieder die hohen Erwartungen), aber wenn es erst einmal eine Weile so bleiben würde, wäre ich wirklich glücklich (mal schnell auf Holz klopfen). Ich fühle eine ganz andere Energie in mir und bin wieder viel mehr "ICH". 

Erst jetzt, wo es mir besser geht, wird mir der Unterschied massiv bewusst und mir wird klar, dass ich wirklich krank gewesen bin. Jetzt hoffe ich, dass das mal eine Weile so bleibt und ich versuche die Zeit so gut wie möglich zu nutzen - und bemühe mich, nicht gleich wieder zu übertreiben.

Lasst es euch gut gehen

Miriam
 
 

Freitag, 11. März 2022

Medikamentenabhängig?!

Als ich ungefähr 12 Jahre alt war, schickten mich meine Eltern (allein) zur Kur. (Inzwischen heißt das Reha... damals war aber alles irgendwie Kur.) Meine Eltern und mein behandelnder Prof. in der MHH hatten etwas länger hin und her überlegt, ob so ein Aufenthalt das Richtige für mich sei. Ich war noch ziemlich jung - aber doch geschult im Umgang mit allen Medikamenten und Inhalationen. Damals hatte ich schon einige Tiefpunkte und Verschlechterungen hinter mir... ich wußte also, was ich der modernen Medizin zu verdanken hatte und konnte sehr gut einschätzen, wie schnell es ohne Medikamente wieder bergab gehen würde. Für Muko-Verhältnisse nahm ich damals schon eine Menge Tabletten ein und inhaltierte vier Mal am Tag.

Die Klinik, in der ich meinen Aufenthalt verbringen sollte, war eine der wenigen Einrichtungen, die auf Mukoviszidose-Patient*innen spezialisiert war. Sie hatte einen guten Ruf. Also auf ins Abenteuer!
(Ich werde hier den Namen der Klinik nicht erwähnen, weil dieser Geschichte schon fast über 40 Jahre her ist und sich seitdem eine Menge verändert hat.)

Ich kam mit einem größeren Schwung an Kindern in der Kureinrichtung an und wurde auf der Muko-Station in einem Dreibettzimmer untergebracht. Ich hatte ein paar Tabletten für die ersten Tage dabei, aber nicht für den gesamten Aufenthalt. Auch mein Inhaliergerät hatte ich zu Hause gelassen, weil wir davon ausgingen, dass Inhaliergeräte Standard sind und ich dort garantiert eins bekommen würde (bekam ich in der MHH ja auch immer bei jedem Aufenthalt).

Am ersten Tag durfte ich auch einmal kurz dem Direktor "Guten Tag" sagen. Er inspizierte meine Medikamentenliste und stellte fest, "dass das ja eine ganze Menge sei...". Und er machte gleich Überlegungen, welche Tabletten oder Inhalationen man wohl weglassen könnte. Natürlich gingen bei mir (auch als 12-Jährige) die Alarmglocken an - aber welche Chance hatte ich gegenüber dem Direktor? Ich hoffte, es würde sich irgendwie klären lassen.

Auf der Station gab es dann kein Inhalationsgerät für mich - es gab für die ganze Station ein einziges im Schwesternzimmer und inhaliert wurde nur auf Ansage. Das fand ich seltsam. Dann wurde meine Medikamentenliste zusammen gestrichen. Ich versuchte mit den Schwestern zu reden - aber das Muko-Kind, das ich nun mal war, wurde ignoriert.

Nach ein paar Tagen begann es mir schlechter zu gehen. Irgendwann saß ich weinend im Schwesternzimmer und versuchte der Schwester klar zu machen, dass ich die Tabletten und Inhalationen brauchte, weil es mir sonst immer schlechter gehen würde. Die Schwester tat sehr verständnisvoll. Sie streichelte mir über den Rücken und sagte dann den Satz, den wohl kein Muko (oder chronisch kranker Mensch) hören will: "Du weisst doch was das bedeutet, oder? Du bist medikamentenabhängig." Punkt. Das saß. Alles weiter, was ich danach noch versucht zu sagen oder zu erklären, wurde damit abgeschmettert. 

Damals gab es keine Handys und ich glaube, es gab auch keine Telefonzelle auf dem Gelände. Meine einzige Chance war ein Brief nach Hause... Ich weiß nicht mehr genau, was ich damals geschrieben habe außer "Ich will hier weg. Holt mich bitte ab." Aber meine Eltern erkannten die Situation glücklicherweise und hielten es nicht nur für Heimweh. Sie kamen und holten mich ab und wir fuhren direkt zur MHH, die mich wieder aufgepäppelt hat. 

Mein Prof. war danach stinksauer. Ich glaube, er hat nicht so schnell wieder Patient*innen in diese Einrichtung geschickt... Und ich habe auch keinen zweiten Kur-Versuch unternommen. Das Thema war durch - ein für alle Mal. Ich mag mir gar nicht vorstellen, was hätte alles passieren können...

 Foto: Insa sitzt im Terassenstuhl - leider gibt es aus dem Kur-Jahr keine vernünftigen Bilder von mir... dies ist ein Foto aus dem darauffolgenden Jahr.

Meine Mutter hat an dieses Erlebnis immer noch traumatische Erinnerungen - mehr als ich. Aber woher hätten wir wissen sollen, dass dort bestimmte Medis und Inhalationen nicht zum Standard gehören?
Alles im allem, bin ich froh, dass ich diese Episode gut überstanden habe. Und ich hoffe, heute läuft das alles besser in den Reha-Einrichtungen...

Insa 


Samstag, 5. März 2022

März 2022

 

Eigentlich ist der März mein Lieblingsmonat. Das liegt daran, dass ich in diesem Monat zwei Mal Geburtstag habe... und weil im März der Frühling durchbricht und alles Grün wird (das mag ich sehr).
Rund um meine Geburtstage - besonders am Lungengeburtstag (also der Jahrestag meiner Lungentransplantation) bin ich eigentlich immer voll Dankbarkeit. Dankbar noch am Leben zu sein, dass ich so viele schöne Dinge erleben durfte, dass es mir wieder so gut geht...
Aber zur Zeit ist mir irgendwie nicht nach Feiern und Glücklichsein zumute. Das liegt an der Gesamtsituation - weltpolitisch, pandemiebedingt, klimatechnisch... und auch aus dem Freundes- und Familienkreis kommen irgendwie nur schlechte Nachrichten. 

Ich mache mir Sorgen, habe Angst, bin wütend... es ist gerade von allem etwas und von allem etwas zu viel.
Wie geht es Euch zur Zeit?

Was können wir tun?

Ich denke derzeit vor allem an Muko-Familien und Menschen mit Mukoviszidose, die in der Urkaine leben bzw. sich in U-Bahnen, Parkhäusern oder Kellern verstecken - und an diejenigen, die auf der Flucht sind. Reichen die Medikamente? Sind sie sicher? Haben sie genug zu essen? 

Unsere CF-Selbsthilfe Braunschweig bereitet sich darauf vor, geflüchteten Muko-Familien zu helfen, wenn sie in Niedersachsen ankommen. Das finde ich persönlich sehr gut und wichtig.

Ich selbst untersütze noch Hilfsorganisationen... und bin sonst fassungslos und hilflos gegenüber all dem Leid. Unsere Genetation kennt Krieg nur noch von den Erzählungen der Großeltern oder aus dem Fernsehen (und dann ist es immer weit weg). Wer hätte jemals gedacht, dass es im Jahr 2022 in Europa zu kriegerischen Handlungen kommt? Wo wir doch in den letzten Jahrzehnten so viel erreicht haben.
Nach zwei Jahren Corona hatten wir wohl alle gedacht, dass es in diesem Jahr irgendwie entspannter zugehen wird...

Hoffen wir einfach das Beste - und dass die Diplomaten die richtigen Worte/Argumente und Stellschrauben finden, um dem Ganzen ein Ende zu setzen.

Insa