Freitag, 31. Juli 2020

Die Sache mit der Hoffnung

Hoffnung ist ein wichtiger Bestandteil unseres Lebens. Sie ist so wichtig, wie sie auch brüchig sein kann. Sätze, die heute fast schon zu Floskeln verkommen sind, wie: "Die Hoffnung stirbt zuletzt", haben ihren Sinn. Ohne Hoffnung geht es nicht. Das bedeutet nicht, dass die Hoffnung oder das Hoffen immer deutlich präsent sind, meist begleitet sie uns unterschwellig. Dazu kommen die vielen kleinen Momente in denen wir Hoffen. Wir hoffen einen Parkplatz zu bekommen, eine Prüfung zu bestehen oder dass das Benzin noch bis zur nächsten Tankstelle reicht.

Konkreter oder wichtiger wird es aber, wenn wir hoffen dass ein Untersuchungsbefund gut ausgeht, eine Therapie wirkt oder eine Operation erfolgreich ist. Leider ist "Enttäuschung" immer wieder eng verbunden mit der Hoffnung. Denn nicht alle Hoffnungen gehen in Erfüllung. Was dann? Dann wird ein neues Ziel, eine neue Hoffnung definiert und es geht weiter.

Meine aktuelle Hoffnung


Ich habe zur Zeit eine konkrete Hoffnung, die aber gleichzeitig ein totales Gefühlschaos auslöst. Wie ich immer schon mal geschrieben habe, habe ich seit der Transplantation viele Schmerzen. Es gibt dafür auch nicht DIE eine Diagnose. Es ist ein Blumenstrauß an Diagnosen, Ideen und Vermutungen. Mein Körper hat viel durchgemacht, dazu die schweren Medikamente mit ihren Nebenwirkungen und Langzeitfolgen, es ist eh erstaunlich was ein Körper alles verkraftet und mit macht. Nach meinem letzten Besuch in der Lungentransplantationsambulanz wurde das Thema Schmerzen noch einmal neu besprochen und nun steht die Idee im Raum, etwas an den Immunsuppressiva zu ändern. In der Hoffnung, dass eines der jetzigen Medikamente die Schmerzen auslöst oder zumindest begünstigt.

Gefühlschaos


Uff, ich sage Euch, dass hat ein Gefühlschaos sondergleichen ausgelöst. Zuerst einmal ist da sofort die große Hoffnung schmerzfrei zu werden und endlich all die Dinge auszuprobieren, die ich mir schon unendlich lange wünsche. Ich sehe mich Fahrradtouren machen, endlich einen Hochseilgarten besuchen, in der Trampolinhalle rumalbern, Stand up Paddeling ausprobieren und mit Insa bouldern.
Aber dann kommt die hinterlistige Erfahrung um die Ecke und mahnt: Na na na... nicht so voreilig. Was, wenn die Schmerzen nun nicht von diesem Medikament sind. Was, wenn schon so viel irreversible Schäden da sind, dass höchstens (immerhin) das Fortschreiten verhindert wird. Was, wenn es einfach keinen Unterschied macht und eine der letzten Optionen im Nichts verläuft. Die Angst nachher nur enttäuscht zu sein, mischt sich unter die Hoffnung. Versteht mich nicht falsch, ich bin grundsätzlich positiv eingestellt, aber die "was wenn-Fragen" sind heute natürlich viel mehr, als noch vor 20 Jahren. Dafür habe ich zu viel erlebt. Ich versuche also die Hoffnung klein zu halten oder Ihr könntet auch sagen, ich versuche meine Erwartungen runterzuschrauben, um nachher nicht in ein zu großes Loch zu fallen, wenn es nicht klappt. Trotzdem ist es so schön einen Strohhalm in der Hand zu halten und für ein paar Wochen von Dingen zu träumen, die ich vielleicht wieder machen könnte.

Schroedingers Katze


Es ist ein bisschen wie mit "Schroedingers Katze". Solang ich es noch nicht ausprobiert habe, kann es der ganz große Durchbruch sein (oder eben nicht). Da meine Ärztin noch im Urlaub ist, und es eben nicht ganz so einfach ist mal eben ein wichtiges Medikament zu wechseln, kann ich mich noch eine Weile der schönen ungebrochenen Hoffnung hin geben.

Gebt die Hoffnung niemals auf!
Miriam


Freitag, 24. Juli 2020

Der 13. Muko-Spendenlauf....

... wird anders sein als in den Jahren zuvor. ABER - der Lauf wird stattfinden!
Es ist leider so, dass fast alle Helfer und auch ich zur Covid-19-Risikogruppe gehören (oder Angehöriger eines Risikopatienten sind)… und ohne Helfer vor Ort funktioniert der Lauf einfach nicht.

Gemeinsame Kilometer - getrennte Wege


Natürlich finde ich es total schade, dass wir in diesem Jahr kein gemeinsames Erlebnis Muko-Spendenlauf haben... aber sehen wir es positiv: In diesem Jahr kann wirklich jede/jeder mitmachen. Es ist egal, ob Ihr gerade im Urlaub seid oder zu Hause. Ob Ihr im Wald, am See, am Meer, durch Wiesen, Straßen oder Berge lauft. Es ist egal ob Ihr in Hannover, Niedersachen, Deutschland oder irgendwo in der Welt lauft. Es ist egal ob Ihr morgens, mittags oder abends lauft. Es ist egal ob Ihr einen Marathon oder Eure Lieblingsstrecke lauft, eine Runde Spazieren geht oder walkt. Hauptsache Ihr seid dabei!

Gemeinsam laufen wir am 30. August 2020 für das Haus Schutzegel, die Eltern- und Patientenherberge des Mukoviszidose e.V.. Gerade in diesem Jahr sind die Spenden für das Haus enorm wichtig, da derzeit weniger Spendengelder beim Verein für das Haus eingehen...

Mitlaufen ist ganz einfach


1. SPONSOREN SUCHEN

Auch in diesem Jahr soll es ein Spendenlauf sein und es wäre toll, wenn Ihr Euch wieder auf die Suche nach Sponsoren machen könntet. Wir wissen, dass es einige (Firmen wie auch Privatpersonen) zur Zeit nicht leicht haben und bitten Euch mit Fingerspitzengefühl an die Sache zu gehen.
Da es in diesem Jahr keine Runden gibt, sondern jeder für sich läuft, gibt es folgende Möglichkeiten:

Variante 1: Ihr habt eine Fitness- oder Lauf-App und könnt Euren gelaufenen Kilometerstand abrufen? Perfekt! Sucht Euch einen oder mehrere Sponsoren, die pro Kilometer für Euch spenden.

Variante 2: Ihr wisst nicht genau wie weit Ihr lauft oder walkt? Dann handelt bei Euren Sponsoren einen Festpreis für Eure sportliche Aktivität (z.B. 30 oder 60 Minuten laufen) aus, z.B. 10 oder 20 Euro.
Nutzt für Variante 1 oder 2 gerne auch unsere Laufzettel.

Variante 3: Ihr findet keinen Sponsor? Dann freuen wir uns über eine Spende von 10 Euro – dies geht entweder als Überweisung oder mit dem Onlinespendentool.

2. ONLINE ANMELDEN

Bitte meldet Euch vor dem Lauf online an:
www.muko-spendenlauf.de/anmeldung/

Ihr könnt Euch auch als Gruppe anmelden, z.B. für Mitarbeiter einer Firma.
Bitte beachtet beim Lauf aber die gebotenen Abstände, falls Ihr Euch zum Laufen verabredet.

Wenn Ihr Euch bis zum 30. Juli 2020 bei uns anmeldet, dann bekommt Ihr auf jeden Fall Überraschungspost!  Spoileralarm: Die Überraschung wird klein und gelb und rund sein... es ist der diesjährige Schutzengel-Button! Und ich find ihn echt knuffig... :-) Allein deswegen solltet Ihr schon mitmachen!
3. 30.8.2020 – LOSLAUFEN UND SPASS HABEN

Jede/Jeder läuft vor der eigenen Haustür so viel und so schnell sie/er will. Pausen sind auch hier erlaubt. 🙂
Ihr könnt morgens eine Runde auf Eurer "Hausstrecke" laufen oder Ihr macht nachmittags einen Spaziergang – Hauptsache Ihr seid dabei.

4. FOTO MACHEN

Wenn Ihr unterwegs seid, macht bitte ein Foto von Euch, damit wir hinterher sehen können, wo und wie Ihr alle gelaufen oder gewalkt seid. (Diese Fotos werden dann weiter veröffentlicht und kommen außerdem in unseren Lostopf.)

5. FOTO + INFOS MAILEN

Nach dem Lauf mailt Ihr uns das Foto vom Lauf, evtl. Eure Streckenlänge (bitte mit Foto der App/der Strecke) und – falls Ihr Sponsoren habt, schickt uns deren Infos (Spendensumme, Ansprechpartner, Adresse, Überweisung oder Onlinespende).
Mail an: info@muko-spendenlauf.de

6. URKUNDE

Natürlich bekommt Ihr auch in diesem Jahr eine Urkunde. Diese verschicken wir nach Eurer Rückmeldung (Punkt 5) per Mail.

7. SPONSOREN INFORMIEREN

Falls Ihr einen oder mehrere Sponsoren habt, gebt die Infos zu Eurer Strecke oder das Lauffoto oder die Urkunde weiter, damit sie sehen, dass Ihr für uns aktiv wart. Die Sponsoren überweisen dann bitte direkt an den Mukoviszidose e.V. oder nutzen das Onlinespendentool.

8. VERLOSUNG 

Wir planen auch für diesen Lauf eine kleine Verlosung. Alle die ein Foto bis zum 4.9.2020 schicken, kommen in den Lostopf (ein Foto je Läufer*in nimmt an der Verlosung teil).
Wir werden Eure Fotos auf unserer Facebook-Seite und im Rückblick auf der Muko-Spendenlauf-Webseite veröffentlichen.

Das alles könnt Ihr auch nochmal auf der Webseite vom Muko-Spendenlauf nachlesen:
www.muko-spendenlauf.de

Ich hoffe Ihr macht mit und unterstützt das Haus Schutzengel und damit viele Muko-Familien. Das wäre wirklich ganz wunderbar. Danke.
Insa


Freitag, 17. Juli 2020

Buchkritik "Arbeit und Strukur"

Das Buch "Arbeit und Sturktur" von Wolfgang Herrndorf lag (ehrlich gesagt) schon ein paar Jahre bei mir rum. Ich hatte es mir gekauft, nachdem ich "Tschick" gelesen hatte. Mir gefiel die Art und Weise wie Herrndorf die Geschichte von Maik und Tschick erzählt, seine Art von Humor und sein Blick auf die Welt. Deshalb wollte ich gerne noch mehr von ihm lesen. Allerdings wusste ich auch, dass er aufgrund eines Hirntumors Selbstmord begangen hat. Und da es sich bei "Arbeit und Struktur" quasi um ein Tagebuch seiner letzten beiden Jahre handelt, habe ich das Lesen ein wenig vor mich hergeschoben.

Zuerst als Blog


Nachdem Wolfgang Herrndorf die Diagnose Hirntumor bekam und der erste Schock inklusive manischen Phasen und Aufenthalt in der Psychartrie hinter ihm lag, begann er einen Blog über sich, seinen Zustand und was ihm sonst noch so passierte/interessierte zu schreiben. Dieser Blog war für seine Familie und Freunde gedacht - damit nicht jede/jeder täglich bei ihm anruft und fragt wie es ihm geht.

Mit der Zeit fand der Blog aber immer mehr LeserInnen und es entstand die Idee daraus (nach seinem Tod) ein Buch zu machen. Zwei seiner Freunde haben dies (nach seinen Vorgaben) gemacht.
Herausgekommen ist ein lesenwertes Buch, was viele Gedankengänge, Ideen (schräg und nicht ganz so schräg), seine Arbeitswut und seine Verzweiflung zeigt.

Diagnose Hirntumor


Jede/Jeder kann sich vorstellen, dass die Diagnose Hirntumor einer/einem den Boden unter den Füssen wegzieht. Das Leben ist auf einmal sehr begrenzt und es bleibt nur noch wenig Zeit. Vieles wird dann unwichtig - und manches um so wichtiger.

Ich fand es toll, wie offen Herrndorf über seine Gedanken und Gefühle gesprochen hat. Nach der Diagnose wollte er endlich einen erfolgreichen Roman schreiben - was ihm mit "Tschick" tatsächlich gelang. Vorher konnte er wohl endlos an Formulierungen basteln und sich in Recherche vertiefen. Nun hatte er ein begrenztes Zeitkontingent und musste Entscheidungen treffen ohne tagelang das Für und Wider abzuwägen. (Es gibt im Buch sogar ein zusätzliches Kapitel von "Tschick".)

Eines seiner wichtigsten Ziele in dieser Zeit war aber, zu klären, wie er sich selbst umbringen konnte. Er wusste wie ein Hirntumor mit der Zeit sein Gehirn und damit sein Denken, Reden und auch seine Beweglichkeit beeinträchtigen wird. Zu wissen, dass er als Autor irgendwann keinen Wortschatz bzw. keine Möglichkeiten der Artikulation mehr hat, dass er mit starken Schmerzen auf den Tod warten müsste - dies wollte Herrndorf auf gar keinen Fall. Er hat es schließlich mit einem Revolver getan und im Nachtrag zum Buch steht, dass es wohl der letzte Tag war, an dem er es tatsächlich hätte machen können.

Viele verschiedene Themen


In "Arbeit und Struktur" werden sehr viele verschiedene Themen angesprochen. Zum Beispiel gibt es Einblicke in manische Phasen (inklusive manisches Denken und die Lösung aller Weltprobleme) - die ich so auch noch nie gelesen hatte und deshalb sehr spannend fand.
Auch die Beschreibungen von seinen Krankenhausbesuchen bzw. den Untersuchungen fand ich sehr treffend. Wahrscheinlich sehen Krankenhäuser überall doch irgendwie gleich aus....

Besonders schön war für mich, dass er noch ein paar Mal in den Urlaub gefahren ist. Es ging an die Ostsee und auch nach Marokko (ein Land dass er sehr liebte). Dies alles immer in dem Wissen, hier nicht nochmal herkommen zu können. Das hat mich sehr an meinen letzten Spanien-Urlaub vor ca. 13 Jahren erinnert... ich merkte damals dass es mir nicht mehr ganz so gut ging. Mir war klar, dass in nicht allzuferner Zeit zusätzlicher Sauerstoff mein Begleiter werden würde. Und ich war mir nicht so sicher, wie die Zukunft für mich aussehen würde - ich wusste nur, dass ich an der andalusischen Küste wohl so bald nicht wieder stehen würde.

Auch zieht Herrndorf noch einmal um, da er sich durch den Erfolg von "Tschick" endlich eine besere und größere Wohnung leisten kann. Am Ende lebt er in einer schönen Wohnung mit Dachterrasse und genießt den täglichen Blick über Berlin. Auch dies kommt mir auf eine bestimmte Art bekannt vor. Wir haben zwar keine Dachterrasse und leben nicht in Berlin... aber wir haben einen Balkon zu einem sehr netten und grünen Innenhof. In den Jahren auf der Warteliste war dies für mich ein so wichtiger Ort (mehr im Sommer als im Winter), wo ich zur Ruhe kommen und einfach den Moment geniessen konnte.

Das Buch zeigt leider sehr gut, wie der Tumor sein Denken und Schreiben immer mehr einschränkt. Am Anfang gibt es noch lange Kapitel, oft schrieb er mehrmals am Tag Einträge. Mit der Zeit werden die Einträge kürzer und dann auch seltener. Die letzten Einträge konnte er nur noch mit Hilfe eingeben. Auch auf diese Weise wird im Buch klar, wie sehr der Tumor ihn einschränkte.

Alles in allem hat mir dieses Buch sehr gefallen und wenn das Ende nicht abschreckt, empfehle ich ruhig mal reinzulesen. Herrndorf hat einen guten Blick auf sich selbst und geht auch mit viel Humor an die Sache ran.
Insa

P.S.
Wolfgang Herrndorf schrieb einen Beitrag, der aus einer Aufzählung von Kindheitserinnerungen bestand. Das fand ich eine total schöne Idee. Ich habe deshalb überlegt, wie meine Liste wohl aussehen könnte... dies ist das Ergebnis:

Wie ich im Sommer mit dem Gartenschlauch einen Regenbogen mache.
Das Dolomiti-Eis vom Bäcker.
Der Geruch von Sonnencreme, Kaffee, Meer und Sonne am Strand von Cuxhaven.
Der Geschmack von Salzwasser.
Meine verschrumpelten Hände, weil ich nicht aus dem Wasser raus will.
Die Mohnhörnchen bei Oma und Opa zum Frühstück.
Grillhähnchen und Pommes mit dänischer Majo im Dänemark-Urlaub.
Die zugefrorende Wasserfläche bei unserer Nachbarin im Garten, wo das Dorf Schlittschuh lief.
Wie mein Vater mich im Schlitten durchs Dorf zieht.
Wie wir in Ilkas Küche sitzen und malen.
Wie ich zu Hause Krankenhaus spiele nach den IV's.
Der Kuschelpulli mit den bunten Fransen, den meine Mutter mir gestrickt hat.
Die täglichen Planungen für den Tag während unseres Urlaubs in Davos - dazu gab es Darjeeling-Tee.
Besuch im Zirkus Roncalli und es gibt rosa Zuckerwatte.
...

Freitag, 10. Juli 2020

Positiv oder Negativ?

Ich bin eine Realistin. Finde ich zumindest.
Das war ich schon immer. Manchmal wird mir dies als Pessimismus ausgelegt. Aber wahrscheinlich ist es nur meine Direktheit, die einige Leute irritiert. Hier mal ein Beispiel: Als vor etwas längerer Zeit Hamburg auserkoren wurde, sich als Olympiastadt 2024 zu bewerben, da dachte ich nicht: "Oh cool. Wenn das klappt, dann fahren wir dahin und gucken uns Olypia an.". Nein, ich dachte: "Oh wie cool. Wenn das klappt und wenn ich dann noch lebe, dann fahren wir hin."
Das ist meine Art von Realismus.
Es ist doch so: Wer mit Mukoviszidose groß wird (jedenfalls die Leute aus unserer Generation), die/der kennt die Krankheit und den eigenen Körper, die/der kennt alle Höhen und Tiefen (bei sich und bei Freunden) und die/der hat leider auch schon viel zu viele Freunde beerdigt.

Trotzdem gehe ich positiv durchs Leben. Ok, ich habe auch mal schlechte Tage (vor der Lungentransplantation mehr als heute, das ist klar). Aber was nützt es sich von allem entmutigen zu lassen? Das bringt mich nicht weiter.

Als ich vor kurzem im Live-Stream mit MukoTV war (naja, es war ein halber Live-Stream, weil von mir kein Live-Bild zu sehen war - es gab nur Ton), da hat mich Manuel von MukoTV gefragt, wie ich mit Corona umgehe. Meine Antwort war: wir müssen irgendwie das Beste draus machen. Natürlich bin ich nicht glücklich mit dieser Pandemie. Ich weiß, dass wir bestimmt noch bis 2021 damit zu tun haben werden. Ich bin auch nicht glücklich, dass ich zur Risikogruppe gehöre und wünschte es wäre anders. Ich finde es nicht toll, dass mein Leben nun so eingeschränkt ist, dass mein Mann und ich nur noch zu Hause rumsitzen, beide im Homeoffice und alle Freizeitaktivitäten außer Haus mehr oder weniger wegfallen. ABER... wir können die Situation nun mal nicht ändern. Wir müssen uns arrangieren. Das Leben ist ja trotzdem schön und ich bin froh, dass wir zwei uns haben, dass unsere Wohnung gemütlich ist, dass wir einen Balkon haben auf dem wir sitzen können, dass es uns gut geht. Ich will mir mein Jahr nicht von Corona vermiesen lassen - dafür ist es zu wertvoll.

Als ich im Klein-Kindesalter diagnostiziert wurde, da lag die durchschnittliche Lebenserwartung von Mukos bei ungefähr fünf Jahren. Mit meinem Alter wuchs auch die Lebenserwartung mit. Irgendwann hieß es, dass man als Muko das Erwachsenenalter erreichen kann - und inzwischen sind die Kinder, die jetzt geboren werden bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung von über 50 Jahren! Das ist schön.
Das bedeutet für mich: alles kann möglich sein. Aber es heißt eben auch: es kann alles ganz anders laufen.

Also, Krone richten und weiter...
Insa

Samstag, 4. Juli 2020

Ungewissheit

Genau wie Warten, ist Ungewissheit ein treuer Begleiter, wenn man chronisch krank ist. Dabei meine ich nicht diese allgemeine Ungewissheit, die wir alle in uns tragen: "Wo sehe ich mich in zehn Jahren? Wie geht es weiter im Leben?" Bei so einer komplexen Erkrankung wie Mukoviszidose und all ihrer Begleiterkrankungen und Folgen, dazu alle Herausforderungen der Lungentransplantation... da kommt einiges an Ungewissheit dazu.

Da gibt einiges, was eher zu dem passt was ich oben beschrieben habe: "Wie geht es mit dem Krankheitsverlauf weiter? Werde ich es schaffen bis eine Spenderlunge für mich gefunden ist? Komme ich aus diesem Tief wieder hoch? Überstehe ich den nächsten Infekt?" Und noch so vieles mehr.

Da stimmt etwas nicht


Aber dann gibt es diese miese Kombination von Ungewissheit und Warten. Plötzlich aus dem nichts heraus passt irgendein Blut- oder Lungenfunktions- oder sonst ein Wert nicht. Oder es taucht irgendein neues Symptom auf. Dann beginnt das Rätselraten und oft folgt dann ein langer Ärztemarathon. Denn nicht immer ist der Grund einfach zu finden und das Problem zu lösen. Meist findet zuerst eine Kontrolle statt. Vielleicht ein Messfehler? Oder einfach nur ein doofer Tag? Nun heißt es also warten. Die Kontrolle bringt die Ernüchterung, es stimmt wirklich etwas nicht. Wer ist jetzt zuständig? Ist es etwas für den Hausarzt, einen Facharzt oder die Transplantationsambulanz? Ist es etwas Muko-typisches oder sind es Nebenwirkungen der Medikamente - der aktuellen, oder auch die Folgen von Jahrzehnten starker Medikamente. Patient zu sein in dieser Zeit der Ungewissheit ist oft ganz schön kompliziert, denn neben den Ängsten und Sorgen müssen wir zwischen den verschiedenen Ärzten über- und vermitteln.

Ein Beispiel:


Arzt/Ärztin A: Hier stimmt was nicht, vielleicht ein Infekt? Aber der Rest passt eigentlich nicht. Was sagt den Fachrichtung B dazu?

Arzt/Ärztin B: Das muss nichts bedeuten, aber könnte leider auch etwas sehr Ernstes sein. Wegen der Immunsuppressiva sollten wir das vorsichtshalber ausschließen. Sagen sie A, eine Überweisung an C und D wäre gut.

Arzt/Ärztin C weiß nicht was er/sie bei dem Ganzen tun soll.

Arzt/Ärztin D ist der Meinung es ist alles okay, man muss nicht alles begründen können. (Das mag sich für Laien brutal anhören, aber es ist leider wirklich so, dass nicht immer eine Antwort gefunden wird und im Grunde ist die Hauptsache, dass man etwas Schlimmeres ausschließt.)

All die Termine und Untersuchung passieren natürlich nicht in wenigen Tagen, sonder das Ganze zieht sich oftmals über Wochen. Und während dieser Zeit schwebt diese Ungewissheit über einem. In den meisten Fällen stellt sich alles als harmlos und /oder gut behandelbar raus. Aber da sind die restlichen paar Prozent, die schwerwiegende Folgen nach sich ziehen.

Weitermachen mit der leisen Stimme des Zweifels


Meist kann ich gut mit der Ungewissheit umgehen und "normal weiterleben" in dieser Zeit. Das habe ich ja nun auch mein Leben lang geübt. Einfacher ist es natürlich, wenn ich mich dabei gut fühle und "nur" ein diffuser Wert geprüft werden muss. Aber ganz ganz hinten im Kopf ist halt trotzdem diese kleine leise Stimme die hin und wieder einwirft : "Was, wenn es dieses Mal doch schlimm ist?"

Ist dann endlich alles geklärt, ist die Erleichterung groß und manchmal merke ich erst dann, wie sehr mich die Sache unbewusst belastet hat. Kommt doch einmal etwas Schlimmeres raus, bin ich trotzdem oft mehr erschrocken als gedacht, weil ich innerlich fest der Meinung war, alles ist okay. Und wenn es sich nicht klären lässt? Dann verblasst die Ungewissheit mit der Zeit - bis zum nächsten neuen Problem.

Lasst Euch nicht unterkriegen,
Miriam