Samstag, 2. Mai 2020

Kreativ & Co

Heute geht es um Hobbys und vielleicht auch ein wenig um die Hintergründe. Was meinen wir mit Hintergründen: Es gibt ja Hobbys, die entstehen durch ein Erlebnis, einige wurden gewählt bedingt durch körperliche Möglichkeiten und so weiter. Wir haben im Muko-Bekanntenkreis einige mit kreativen Hobbys. Damit wollen wir gar nicht behaupten, das chronisch Kranke automatisch kreativer sind, aber wir sind einfach häufiger gezwungen Hobbys zu finden, die wir auch machen können, wenn es uns schlecht geht. Auch die vielen Klinikaufenthalte als Kind und Jugendliche haben uns durch die Beschäftigungsabteilung an viele Dinge rangeführt, die gesunde 14 jährige wohl gerade nicht so spannend finden. Jetzt in dieser Corona-Zeit müssen einige Menschen plötzlich viel Zeit mit sich allein verbringen und kommen schnell an ihre Grenzen. Da sind „wir Risikogruppe“ vielleicht ausnahmsweise mal im Vorteil und haben einfach schon jahrelange Übung im isoliert sei.

Miriam: Unperfekt 


Als Tipp gegen die Langeweile steht Malen/Zeichnen ganz weit oben auf der Liste. Da sehe ich schon die ersten stöhnen „das kann ich nicht, das sieht bei mir nicht aus…“. Ich habe schon immer gern gemalt, allerdings bin ich auch nicht mit übermäßigem Talent gesegnet. Wenn es heißt „male eine Blume“, dann würde ich immer noch einen Kreis, umringt von fünf Kreisen malen. Ich habe durchaus schon ganz schöne Sachen gemalt, aber mein eigener Anspruch an mich selbst, steht mir oft im Weg. Daher ist malen für mich oft nicht entspannend sondern anstrengend. Gerade wenn es einigermaßen gut wird, habe ich ständig Angst mit der nächsten Entscheidung, mit dem nächsten Strich alles zu ruinieren. Dazu kommen immer wieder zitternde Hände von den Medikamenten und während der intravenösen Antibiotikatherapien stand ich echt neben mir. Was tun, wenn es doch aber so Spaß macht?
Ich habe einfach Kindermalbücher oder Mandalas ausgemalt und wurde dafür auch gerne mal belächelt. Aber das ist entspannend für mich, ich muss nicht groß nachdenken, brauche wenig Material und trotzdem sehe ich ein schönes Ergebnis. Inzwischen ist es Trend und es gibt extra Erwachsenenmalbücher. Was ich damit eigentlich nur sagen will… wenn ihr Lust habt zum Malen (und das gilt für alles im Leben), dann macht es einfach, es muss nicht perfekt sein. Es soll Euch Spaß machen. Werft die eigenen überzogenen Ansprüche und Vorstellungen über Bord und legt los.

Insa: Musikinstrumente


Wie wahrscheinlich einige aus meiner Generation wurde ich als Kind zur musikalischen Früherziehung geschickt und habe dort Blockflöte gelernt. Nach ein paar Jahren versuchte ich mich dann an der Geige, dann am Klavier und irgendwann an der Querflöte. Auch Gesangsstunden habe ich mal für ca. 2 Jahre genommen – hauptsächlich weil ich auf die fixe Idee kam, meinem Mann zu unserer Hochzeit ein Ständchen zu singen.... (Ich singe gern) Das heißt aber nun bei weitem nicht, dass ich all diese Instrumente oder meine Stimme voll beherrsche.. nein... das wäre schön.
Aber nach wie vor finde ich zu Musizieren oder zu Singen ein schönes Hobby – ob das nun die Menschen um mich herum auch so sehen, ist aber eine andere Frage!
In der Zeit dieser Corona-Pandemie habe ich mich endlich mal wieder ans Klavier gesetzt. Es war etwas frustrierend, weil ich gefühlt wieder bei Null anfange, aber ein paar Akkorde passen immerhin. :-)

Miriam: Kunsttherapie 


Während meiner Zeit in der Kinderklinik, gab es eine unglaublich tolle Psychologin und Kunsttherapeutin. Ich habe gerne gemalt und Geschichten geschrieben, auch über meine Lunge und die Pseudomaden darin (Problemkeime in unseren Muko-Lungen). Sie hat mich dabei unterstützt, mich ermutigt und rückblickend gesehen, habe ich auf diese Art wahrscheinlich ganz viel verarbeitet ohne das mir das bewusst war. Bei einem Klinikaufenthalt war ich streng isoliert, weil meine kleine Schwester zu Hause Mumps bekam. In den zwei Wochen habe ich ein „Pseudomonas-Museum“ im Kleiderschrank installiert. Für 10 Pfennig durfte man reingucken und bei Entlassung habe ich sehr stolz 15 DM an die Forschung gespendet. 
 
In den Rehas nach meiner Lungentransplantation und der Sepsis, wurde einmal die Woche Kunsttherapie angeboten. Neben dem malen ging es sicher auch darum, sich als Gruppe zu treffen, kennenzulernen und auszutauschen. Bei meinem zweiten Aufenthalt hat mich die Kunsttherapeutin für „Zentangle“ begeistert (geschützter Begriff!). Es geht darum wiederholende Muster, meist auf kleinen untersetzergroßen Papierkacheln zu malen. Es macht Spaß, entspannt und wer möchte kann das ganze auch mit Achtsamkeitstraining verbinden. Hier ist wieder der Vorteil, dass es nur einen Stift und ein kleines Papier benötigt. Und wegen des kleinen Formates, hab ich nicht das Gefühl ich bräuchte tagelang Zeit um es zu beenden, um ein Ergebnis zu sehen und wenn es schief geht habe ich nicht wahnsinnig Material verschwendet. Das hilft mir persönlich sehr, den Anfang zu finden und nicht wie ein scheues Reh ehrfürchtig vor einer großen Leinwand zu stehen.

Insa: Lettering


Schon als Jugendliche habe ich gerne Buchstaben gemalt und in Schönschrift geschrieben. Damals lief das noch unter Kalligrafie. Ich hatte sogar ein paar alte Federn von meinem Opa und ein kleines Tuschefass. Damit konnte ich mich Nachmittage-lang beschäftigen. Dann kam das Studium und das normale Leben und irgendwie ist mir mein Hobby abhanden gekommen.
Als ich nach meiner Lungentransplantation dann auf einmal wieder sowas wie Freizeit hatte (keine Therapie mehr rund um die Uhr, keine dauerhafte Erschöpfung mehr – sondern Energie und freie Zeit! Wahnsinn!), da bin ich beim Internetsurfen zufällig bei Chalk-Lettering gelandet – also Buchstabenmalen mit Tafel & Kreide. Das fand ich toll und bekam sofort Lust darauf. Aber Kreide bzw. Kreidestaub war nicht gerade die beste Idee für meine Spenderlunge, also habe ich weitergesucht und das (normale) Lettering gefunden. Und sofort war meine alte Buchstabenliebe wieder da und ich Feuer und Flamme.
Als ich dann noch den Lettering Stammtisch Hannover entdeckte mit lauter so verrücken Stift- + Papiersammlerinnen + Buchstabenmalenden wie mir, war ich total glücklich. (Durch den Lettering Stammtisch habe ich auch die nächste neue Leidenschaft Sketchnotes kennengelernt... aber das ist noch wieder eine andere Geschichte.)

Miriam: Basteln im Krankenhaus 


Sag mir was Du im Krankenhaus gebastelt hast und ich sage Dir, in welchem Jahr Du im Krankenhaus warst. Ich hatte das Glück in der MHH eine unglaublich tolle Beschäftigungsabteilung zu haben. Ich war etwa zwei Monate im Jahr in der Klinik und habe so manchen Basteltrend mitgemacht. Das erste an was ich mich erinnere sind Gipsbilder. Kennt das noch jemand von Euch? Als weiteres Highlight gab es das Einbrennen von Bildern und Namen in Holzbrettchen und Glasritzen. Eine zeitlang waren Kratzbilder angesagt, die fand ich auch sehr toll. Vor kurzem habe ich gesehen, dass auch diese jetzt für Erwachsene neu entdeckt und beworben werden. Fimo war eine extrem große und lange Phase und das habe ich auch zu Hause ganz viel gemacht (muss noch irgendwo sein…). Die Perlen-Krokodil-Phase habe ich ausgelöst. Und Fensterbilder (Papier/Pappe) waren dann so ziemlich meine letzte Bastelerfahrung dort. Ach  nein, Windowcolor … oder hab ich das später allein entdeckt? Kurz nach meinem Wechsel in die Erwachsenenklinik wurde Moosgummi der heiße Sch… , dass habe ich ausnahmsweise ausgelassen

Rätselraten (nicht unbedingt kreativ - aber entspannend)


Was geht immer und fast überall? Rätselraten. Insa liebt dabei besonders Sudoku und Suchworträtsel, Miriam steht auf Nanogramme.
Da es inzwischen auch viele Rätselapps fürs Handy gibt, sind z.B. die Wartezeiten bei Ärzten durchaus besser hinnehmbar. Für unsere Krankenhausbesuche früher haben wir uns immer mit Rätselheften eingedeckt – und glücklicherweise hatte z.B. die MHH immer einen Kiosk, bei dem man Nachschub kaufen konnte.

Miriam: Neues Hobby, gute Laune 

Das wir dieses Thema einmal näher  beleuchten, lag unter anderem an der derzeitigen Situation. Nur weil Isolation und #socialdistancing für uns nichts Neues ist, ist es deswegen trotzdem nicht schön. Dazu kommen natürlich auch bei uns die Sorgen wie es weitergeht oder was wäre wenn wir uns anstecken würden. Klingt vielleicht für einige eigenartig, aber ein Hobby kann in solchen Situationen helfen. Ich habe mir ein neues Hobby „gegönnt“, um das ich schon lange herumschleiche, aber aus Vernunftgründen bisher gemieden habe (klassisches Zeit-Energie-Platz-Dilemma). Mein erstes Diamond Painting Set (quasi Malen nach Zahlen mit Perlen/Steinchen) kam genau zur richtigen Zeit und hat mich tatsächlich aus einem Tief geholt und mir Energie und Motivation zurück gegeben. Ich habe das Glück, das ich mich schon immer sehr in so Tüddelkram vertiefen kann. Ob das meine Nanogramrätsel, Puzzle, Handarbeiten oder eben jetzt das Diamond Painting ist. Währenddessen stelle ich immer wieder fest, wie ruhig meine Atmung wird und Schmerzen (oder früher Atemnot) ein wenig in den Hintergrund treten und Zeit unglaublich schnell vergeht – gerade beim Warten darauf, dass ein Medikament anfängt zu wirken  (Schmerzmittel zum Beispiel) hilft mir so etwas manchmal.
Wie hoffen Ihr hattet ebenfalls Spaß beim Lesen, beim Erinnern an eigene Hobby-Erlebnisse und vielleicht hat Euch sogar etwas davon inspirieren können.
Schreibt uns gerne was Ihr (also egal ob chronisch krank oder nicht) gerne als „Stillbeschäftigung“ macht. Oder ob es etwas gibt, was Ihr gerne mal probieren würdet, aber Euch irgendetwas davon abhält (kann ich eh nicht … keine Zeit … kein Platz …).

Miriam + Insa

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