Samstag, 30. Mai 2020

Spendenbriefe / Aktionen

Vielleicht hatte eine/einer von Euch in dieser Woche einen Spendenbrief des Mukoviszidose eV mit meinem Bild im Briefkasten. Es ist nicht das erste Mal, dass ich mit meiner Geschichte oder/und meinem Bild in dieser Form zu sehen bin. Ich weiß natürlich, dass gerade diese Spendenbriefe (egal von welcher Organisation) von einigen kritisch gesehen werden oder sie diese "nervig" finden. Aber ich freue mich, wenn ich nur durch mein "okay", dass ein Foto verwendet werden darf, dazu beitragen kann Spenden zu sammeln und ein bisschen Aufmerksamkeit für Mukoviszidose zu schaffen.
Ich selbst habe so unendlich profitiert von Forschung, von Einrichtungen, allgemein vom Fortschritt in der Behandlung. Aber all dies wird – vor allem bei seltenen Erkrankungen – durch Spenden finanziert. Doch dafür müssen Menschen wissen, dass es uns gibt und wie unser Leben aussieht. Denn von außen sieht man uns die Auswirkungen von Muko kaum bis gar nicht an. Das ist auch ein Grund für diesen Blog oder unseren Instagramaccount. Wir möchten Einblicke in ein Leben geben, was für die meisten nicht nachvollziehbar ist. Nicht um Mitleid zu kriegen, aber vielleicht um für Mitgefühl und Verständnis zu werben … und hin und wieder auch um Spenden zu sammeln.


Vorurteil: Die Menschen in den Spendenbriefen sind nicht echt 

 
Ich erinnere mich an einen Brief nach "meinem" ersten Spendenmailing, der mir weitergeleitet wurde. Dort stand, dass der Herr ja gerne spenden würde, aber man heute ja nicht mehr sicher sein kann, ob es diese Menschen, diese Geschichten in den vielen Spendenbriefen überhaupt gibt. Natürlich kann ich nur für den Muko eV sprechen: Uns und unsere Geschichten gibt es wirklich. Auch wenn einiges für Gesunde übertrieben wirkt, weil sich zum Beispiel keiner vorstellen kann, dass 50 Tabletten am Tag völlig normal sind.

Was durchaus sein kann ist, dass Namen geändert werden. Ich habe auch schon mal gebeten einen anderen Nachnamen zu bekommen, weil ich nach einem Fernsehbericht sehr sehr unschöne Erfahrungen gemacht habe. Werden also persönliche Daten geändert, dann nicht um zu lügen oder zu vertuschen, dass es diese Menschen nicht gibt. Sondern um diese Menschen zu schützen gerade weil es sie gibt.


Vorurteil: Spendenbriefe sind lästig und altmodisch 


Natürlich passiert heute viel über das Internet. Homepage und social media accounts werden immer wichtiger. Aber nicht jeder kennt sich damit aus und auch nicht jeder der viel im Internet ist, guckt sich automatisch unsere Seiten an. Außerdem schätzen es doch immer noch viele, ein gedrucktes Stück Papier in der Hand zu halten. Und wem das wirklich extrem lästig ist (was ich natürlich nicht hoffe) hat immer die Möglichkeit sich aus dem Verteiler streichen zu lassen.


Warum Spendenbriefe zur Zeit wichtiger sind denn je


Durch diese spezielle Zeit die wir gerade erleben, leiden nicht nur Unternehmen/Geschäfte, sondern natürlich auch ganz extrem alle Organisationen, die auf Spenden angewiesen sind.
Der Muko e.V. lebt unter anderem von Aktionen, die zur Zeit abgesagt oder verschoben werden müssen. Ganz besonders die Spendenläufe sind jedes Jahr große Highlights, die nun nicht wie sonst stattfinden können (siehe unseren Post Muko-Spendenschwimmen ). Die Folge ist ja nicht „nur“ das Forschung sich verzögert, sondern da sind so wichtige Projekte wie das Haus Schutzengel (Angehörigen-Herberge neben der Medizinischen Hochschule Hannover), wo die Kosten konstant weiterlaufen und nicht mal eben gestoppt werden können. Der Sozialfond wird gerade im Moment gebraucht. Und da ist noch so viel mehr. Daher sind Spendenbriefe gerade jetzt wichtig.

Das passt zwar nicht 100 % zum Thema, aber es ist genauso wichtig: Auch wer kein Geld für Spenden hat, kann Leben retten. Blutspenden werden ganz dringend gebraucht, da auch diese Reserven durch die Corona-Krise stark geschrumpft sind!
Infos und Termine findet ihr hier: DRK Blutspende
Kostenlose Spenderhotline: 0800 11 949 11

Vielen Dank an alle die helfen - in welcher Form auch immer.

Wir wünschen Euch ein schönes Pfingstwochenende, passt weiter gut auf Euch und andere auf
Miriam

Freitag, 22. Mai 2020

Schleim

Heute wird es ein wenig eklig - es geht nämlich um Schleim! Dies ist ein Thema mit dem wir Mukos quasi jeden Tag zu tun haben.... und ich dachte, ich wäre auf diesem Gebiet sowas wie eine Fachfrau. Schließlich habe ich jahrzentelang Therapie und Abhusten hinter mir. Aber falsch gedacht. Schlauer bin ich in diesem Bereich erst jetzt, nachdem ich das Buch von Susanne Wedlich  "Das Buch vom Schleim" gelesen haben.

Es gibt keim Lebewesen ohne Schleim


Susanne Wedlich stellt in ihrem Buch das Positve vom Schleim (oder besser Glibber oder Hydrogel?) heraus. Es gibt nämlich auf unserer Welt kein einziges Lebewesen, welches nicht irgendwo in oder an sich Schleim produziert bzw. darauf angewiesen ist.
Schleim ist ein Substanz mit einem sehr hohen Wassergehalt. Manche sprechen deshalb auch von "steifem Wasser". Das Sekret ist gleichzeitig fest und flüssig (das nennt man Viskoseelastizität) und kann sich je nach unterschiedliche Funktionen sehr gut anpassen.

Schleim ist für viele Sachen nützlich


Strukturmaterial
Es gibt einige Lebewesen, die fast nur aus Schleim oder Gel bestehen: Quallen kennt jeder von uns, aber da gibt es z.B. auch Fische unten in der Tiefsee. Dort lebt u.a. der Blobfisch (ich empfehle hier mal eine kurze Google-Bildersuche!), der dort unten bei einem sehr hohen Wasserdruck nur überlebt, weil er aus diesem Material ist. Auf den Bildern im Internet sieht er wie ein sehr, sehr trauriger Clown aus. Das liegt aber nur daran, dass sein Körper an Land (also ohne den hohen Wasserdruck) außer Form gerät.
Auch Cystisoma (eine Art Cousin vom Sandfloh) finde ich sehr eindruckvoll, weil dieses Tierchen mehr oder weniger komplett durchsichtig ist.

Fortpflanzung
Schleim hilft bei der Fortpflanzung und ich meine jetzt nicht nur das Gleitgel. Es gibt viele Pflanzen, die ihre Samen in Schleim hüllen, damit sie vor Angreifern sicher sind oder das Gefressen-werden und die Reise durch den Verdauungstrakt überleben.

Klebstoff
Manche Schleimarten sind so zäh wie Klebstoff. Dies dient z.B. dem Beutefang oder auch der Standortsicherung (z.B. bei Wasserschnecken). Manchmal hilft dieser Klebstoff auch bei der Fortpflanzung, damit die klebrigen Samen von Pflanzen besser am Boden haften und dort keimen können.

Gleitmittel zur Fortbewegung
Wir alle kennen die Schleimspuren von Schnecken. Ohne diesen Schleim würden die Tiere kaum vorwärts kommen. Außerdem gilt die Schleimspur manchen Schnecken als Orientierungshilfe, damit sie den Weg nach Hause wiederfinden.

Barriere
Eine der wichtigsten Aufgaben von Schleim ist, dass er eine Barriere bildet - meistens zur Verteidigung oder zum Schutz (z.B. Schleimaal - guckt Euch auch hier die Fotos im Internet an - das ist schon sehr speziell!).
Im Buch wird dies mit einer Hecke verglichen: Große Tiere können nicht durch die Hecke gehen und werden zurückgehalten, kleine Tiere können diese Barriere problemlos überwinden. Genauso ist es auch in unserem Körper z.B. im Darm oder in der Lunge. Die "guten" Bakterien werden durchgelassen, weil sie bei wichtigen Körperfunktionen und Abwehrmechanismen helfen, böse Bakterien oder Viren schaffen es nicht durch die Schleimbarriere und der Körper ist geschützt. Leider aber wissen manche Viren wie sie trotzdem durchkommen - sie habe z.B. Werkzeug oder "sprengen" sich den Weg frei. Dies führt dann zu Krankheiten wie Morbus Crohn im Darm. Die Löcher im Schleim vom Darm führen zu Entzündungen.

Bei Mukoviszidose ist es nun so, dass unser Schleim fehlerhaft ist - er ist zu zäh. Deswegen verkleben nach und nach unsere Organe und in der Lunge nisten sich Bakterien ein für die dieses zähe Sekret der beste Nährboden ist.

Warum finden wir Schleim so ekelig? 


Das Hydrogel hat so viele wichtige Aufgaben - aber wir mögen es nicht. Vielleicht liegt es daran, dass das Horrorgenre den Schleim als ultimatives Mittel in Büchern und Filmen einsetzt. Stellt Euch nur mal das Monster von den "Ghostbusters" ohne Schleim vor. Oder das Ding in "Alien" ganz trocken und ohne Sabber? Da würde doch etwas fehlen und die Szenen wäre gar nicht mehr so furchtbar ekelig, oder?

Insa


Freitag, 15. Mai 2020

Muko-Spenden-Schwimmen 2020

Eigentlich sollte im Juni das 2. Muko-Spenden-Schwimmen in Königslutter stattfinden... Eigentlich. Wahrscheinlich brauche ich nicht zu betonen, dass dies aufgrund der Corona-Pandemie leider nicht so über die Bühnen gehen kann wie geplant. Nein, wir schwimmen in diesem Jahr nicht für den guten Zweck. Aber, die gute Nachricht ist: wir (CF-Selbsthilfe Braunschweig e.V.) wollen trotzdem eine kleine Benefizaktion auf die Beine stellen.

Muko-Spenden-Schwimmen-was-immer-Ihr-machen-wollt


Da wir nicht gemeinsam schwimmen können, wollen wir „Gemeinsam durch die  Krise“... radfahren, laufen oder gehen – EGAL!!
In der Zeit vom 26.06.2020 – 28.06.2020 ist alles erlaubt, wozu Ihr Lust habt. 
Sucht Euch einen Sponsor für Eure Aktivität/Kilometer/Spaziergangsrunde und macht ein Foto. So einfach ist das.  :-)
Anmelden könnt Ihr Euch auf der Seite vom Spendenschwimmen.

Und das Gute an der Sache ist: es gibt Belohnungen für Eure Anstrengungen. Viele Firmen und Geschäfte hatten unserer Organisatorin Franziska Wotipka schon zu Jahresanfang Gutscheine für eine Verlosung geschenkt. Freundlicherweise dürfen wir diese alle behalten und unter den Teilnehmern verlosen. :-) Also rein in die Turnschuhe und los geht's!

Benefizaktionen und Corona


Warum findet unsere Benefizaktion statt - eine Absage hätte doch jeder verstanden?
Auf der einen Seite stehen enttäuschte Sportler, die sich auf ein gemeinsames Event gefreut haben. Auf der anderen Seite sind solche Projekte wie das "Haus Schutzengel" (Eltern- und Patientenherberge in der Nähe der Medizinischen Hochschule Hannover), zu deren Gunsten wir unsere Benefizveranstaltungen überhaupt machen. Dort brechen gerade die Spenden weg...  Auch deswegen wollen wir mit dieser kleinen Aktion Spenden sammeln.

Und der Muko-Spendenlauf Hannover?


Der findet statt - aber auch vor der eigenen Haustür. Ich hätte es mir gerne anders gewünscht... doch es wird in diesem Jahr leider nicht anders möglich sein. Alle meine Helfer und ich gehören (wie beim Spendenschwimmen auch) zur Risikogruppe von COVID-19 oder sind Angehöriger eines Risikopatienten.

In den letzten Tagen haben wir uns ein Konzept für den Lauf einfallen lassen, dass hoffentlich viel Resonanz finden wird. Haltet Euch eine oder zwei Stunden am 30. August 2020 frei, denn dann heißt unser Motto: "gemeinsame Kilometer - getrennte Wege".
Mehr könnt Ihr dazu auf der Spendenlauf-Webseite lesen.

Bitte unterstützt die Benefizaktionen der CF-Selbsthilfe Braunschweig e.V..
Vielen herzlichen Dank,
Insa 


Freitag, 8. Mai 2020

Einkaufen mit Mundschutz - ein Vergleich

Seit nun über sechs Jahren trage ich beim Einkaufen immer einen Mundschutz (eine sogenannte OP-Maske). Dies tue ich zum einen in der Hoffnung auf ein wenig Schutz vor Bakterien und Viren (und um eventuell eine mögliche Virenlast zu drücken) und (das ist der hauptsächliche Grund) damit ich mir mit der Hand nicht ins Gesicht fasse (um auf diesem Weg Viren oder Bakterien an die Nase oder in die Augen zu bringen).

In den letzten sechs Monaten hat sich bezüglich des Mundschutz-Tragens bzw. der Reaktionen der Umwelt sehr, sehr viel verändert. Hier ein Vergleich.

I. Einkaufen Dezember 2019


Wenn ich mit meinem Mundschutz einen Supermarkt betrete, werde ich machmal schräg oder verstohlen angeguckt. Ab und zu zeigen Kinder auf mich oder sie fragen ihre Mütter oder Väter, warum ich sowas im Gesicht habe. Wenn ich einen Mundschutz z.B. im Bus trage, dann setzt sich so gut wie nie jemand neben mich... die Leute halten Abstand, weil sie denken, dass ich eine ansteckende Krankheit habe. Dies ist der Normalzustand... man gewöhnt sich dran.

II. Einkaufen Februar 2020


In China nimmt zu dieser Zeit die Corona-Pandemie an Fahrt auf und auch in Deutschland kommen die ersten (Krankheits-) Berichte von dieser Virusinfektion an. Es wird aber eher als asiatisches Problem gesehen, was uns hier in Deutschland nicht betrifft. Wenn ich nun mit Mundschutz einkaufen gehe, werde ich als Hypochonder abgetan oder doch als Corona-Infizierter angesehen, die nicht in die Öffentlichkeit gehen sollte. Es gibt jetzt viele blöde, freche und überflüssige Kommentare im Supermarkt. Miriam hat damals sehr schlechte Erfahrungen beim Einkaufen gemacht und wurde sogar extra angehustet!!! Hat man noch Worte?
Wir Mundschutzträger*innen wurden (täglich) überall in Deutschland mit dummen Sprüchen belästigt. Das war wirklich beängstigend. So etwas hatte ich bis dahin noch nicht erlebt und auch nicht für möglich gehalten.

III. Einkaufen April 2020


Corona gehört nun zu unserem Leben dazu. In Deutschland besteht (nach langem hin und her) eine Maskenpflicht beim Einkaufen und in öffentlichen Verkehrsmitteln. Auf einmal bin ich beim Einkaufen mit Mundschutz nicht mehr die Auffällige/Außenseiterin, sondern eine von vielen. Wahnsinn! Als ich nun nach langer Pause mal wieder durch den Supermarkt lief, war es für mich so entspannt wie noch nie in den letzten sechs Jahren. Und gefühlt war es auch noch nie so sicher wie jetzt. Einkaufswagengriffe werden regelmäßig desinfiziert, jeder trägt eine Maske, alle halten Abstand - alle sind gleich. Nach meinem ersten Einkaufserlebnis seit ca. acht Wochen war ich ganz glücklich. (Hoffen wir mal, dass alle in der nächsten Zeit weiter so diszipliniert einkaufen.)
Auch dass in den Fußgänerzonen immer mehr Leute mit Mundschutz zu sehen sind, ist für mich durchaus noch etwas ungewohnt. Wenn ich vor einem halben Jahr jemanden mit Maske sah, dann war ich manchmal kurz davor diesen Leidensgenossen anzusprechen (transplantiert? Krebs? hübscher Mundschutz!) - was ich aber nie gemacht habe. Jetzt gibt es so viele von "uns" - und ich falle nicht weiter auf.

Leben mit Mundschutz


An dieser Stelle nochmal ein kurzer Hinweis an alle "Neulinge" in der Mundschutzszene. Wir verlangen seit Jahrzehnten, dass Krankenschwestern oder Ärzte (auch mal stundenlang) einen Mundschutz tragen. Als ich in der transplantationsvorbereitenden Reha war, damals mit einer Lungenfunktion von gerade noch 30%, musste ich mit Mundschutz Ergometertraining machen. Von allen mit schwachem Immunsystem (Transplantiert, Krebs, HIV etc.) wird von ärztlicher Seite verlangt, dass wir eine Maske tragen. Also bitte stellt Euch nicht so an, wenn Ihr das Teil gerade mal 15 Minuten bei Einkaufen aufziehen müsst!
Seit fünf Jahren tanze ich einmal die Woche mit Mundschutz und bin dabei noch nicht tot umgefallen wegen CO2-Vergiftung oder so. (Jetzt gibt es natürlich keinen Tanzkurs mehr... aber das ist eine andere Geschichte...)

Der Mund-Nasen-Schutz wird in den nächsten zwei Jahren zu unser aller Alltag dazugehören. Gewöhnen wir uns schnell daran. Es tut nicht weh - und es ist das kleinste Übel von allem.
Insa


Samstag, 2. Mai 2020

Kreativ & Co

Heute geht es um Hobbys und vielleicht auch ein wenig um die Hintergründe. Was meinen wir mit Hintergründen: Es gibt ja Hobbys, die entstehen durch ein Erlebnis, einige wurden gewählt bedingt durch körperliche Möglichkeiten und so weiter. Wir haben im Muko-Bekanntenkreis einige mit kreativen Hobbys. Damit wollen wir gar nicht behaupten, das chronisch Kranke automatisch kreativer sind, aber wir sind einfach häufiger gezwungen Hobbys zu finden, die wir auch machen können, wenn es uns schlecht geht. Auch die vielen Klinikaufenthalte als Kind und Jugendliche haben uns durch die Beschäftigungsabteilung an viele Dinge rangeführt, die gesunde 14 jährige wohl gerade nicht so spannend finden. Jetzt in dieser Corona-Zeit müssen einige Menschen plötzlich viel Zeit mit sich allein verbringen und kommen schnell an ihre Grenzen. Da sind „wir Risikogruppe“ vielleicht ausnahmsweise mal im Vorteil und haben einfach schon jahrelange Übung im isoliert sei.

Miriam: Unperfekt 


Als Tipp gegen die Langeweile steht Malen/Zeichnen ganz weit oben auf der Liste. Da sehe ich schon die ersten stöhnen „das kann ich nicht, das sieht bei mir nicht aus…“. Ich habe schon immer gern gemalt, allerdings bin ich auch nicht mit übermäßigem Talent gesegnet. Wenn es heißt „male eine Blume“, dann würde ich immer noch einen Kreis, umringt von fünf Kreisen malen. Ich habe durchaus schon ganz schöne Sachen gemalt, aber mein eigener Anspruch an mich selbst, steht mir oft im Weg. Daher ist malen für mich oft nicht entspannend sondern anstrengend. Gerade wenn es einigermaßen gut wird, habe ich ständig Angst mit der nächsten Entscheidung, mit dem nächsten Strich alles zu ruinieren. Dazu kommen immer wieder zitternde Hände von den Medikamenten und während der intravenösen Antibiotikatherapien stand ich echt neben mir. Was tun, wenn es doch aber so Spaß macht?
Ich habe einfach Kindermalbücher oder Mandalas ausgemalt und wurde dafür auch gerne mal belächelt. Aber das ist entspannend für mich, ich muss nicht groß nachdenken, brauche wenig Material und trotzdem sehe ich ein schönes Ergebnis. Inzwischen ist es Trend und es gibt extra Erwachsenenmalbücher. Was ich damit eigentlich nur sagen will… wenn ihr Lust habt zum Malen (und das gilt für alles im Leben), dann macht es einfach, es muss nicht perfekt sein. Es soll Euch Spaß machen. Werft die eigenen überzogenen Ansprüche und Vorstellungen über Bord und legt los.

Insa: Musikinstrumente


Wie wahrscheinlich einige aus meiner Generation wurde ich als Kind zur musikalischen Früherziehung geschickt und habe dort Blockflöte gelernt. Nach ein paar Jahren versuchte ich mich dann an der Geige, dann am Klavier und irgendwann an der Querflöte. Auch Gesangsstunden habe ich mal für ca. 2 Jahre genommen – hauptsächlich weil ich auf die fixe Idee kam, meinem Mann zu unserer Hochzeit ein Ständchen zu singen.... (Ich singe gern) Das heißt aber nun bei weitem nicht, dass ich all diese Instrumente oder meine Stimme voll beherrsche.. nein... das wäre schön.
Aber nach wie vor finde ich zu Musizieren oder zu Singen ein schönes Hobby – ob das nun die Menschen um mich herum auch so sehen, ist aber eine andere Frage!
In der Zeit dieser Corona-Pandemie habe ich mich endlich mal wieder ans Klavier gesetzt. Es war etwas frustrierend, weil ich gefühlt wieder bei Null anfange, aber ein paar Akkorde passen immerhin. :-)

Miriam: Kunsttherapie 


Während meiner Zeit in der Kinderklinik, gab es eine unglaublich tolle Psychologin und Kunsttherapeutin. Ich habe gerne gemalt und Geschichten geschrieben, auch über meine Lunge und die Pseudomaden darin (Problemkeime in unseren Muko-Lungen). Sie hat mich dabei unterstützt, mich ermutigt und rückblickend gesehen, habe ich auf diese Art wahrscheinlich ganz viel verarbeitet ohne das mir das bewusst war. Bei einem Klinikaufenthalt war ich streng isoliert, weil meine kleine Schwester zu Hause Mumps bekam. In den zwei Wochen habe ich ein „Pseudomonas-Museum“ im Kleiderschrank installiert. Für 10 Pfennig durfte man reingucken und bei Entlassung habe ich sehr stolz 15 DM an die Forschung gespendet. 
 
In den Rehas nach meiner Lungentransplantation und der Sepsis, wurde einmal die Woche Kunsttherapie angeboten. Neben dem malen ging es sicher auch darum, sich als Gruppe zu treffen, kennenzulernen und auszutauschen. Bei meinem zweiten Aufenthalt hat mich die Kunsttherapeutin für „Zentangle“ begeistert (geschützter Begriff!). Es geht darum wiederholende Muster, meist auf kleinen untersetzergroßen Papierkacheln zu malen. Es macht Spaß, entspannt und wer möchte kann das ganze auch mit Achtsamkeitstraining verbinden. Hier ist wieder der Vorteil, dass es nur einen Stift und ein kleines Papier benötigt. Und wegen des kleinen Formates, hab ich nicht das Gefühl ich bräuchte tagelang Zeit um es zu beenden, um ein Ergebnis zu sehen und wenn es schief geht habe ich nicht wahnsinnig Material verschwendet. Das hilft mir persönlich sehr, den Anfang zu finden und nicht wie ein scheues Reh ehrfürchtig vor einer großen Leinwand zu stehen.

Insa: Lettering


Schon als Jugendliche habe ich gerne Buchstaben gemalt und in Schönschrift geschrieben. Damals lief das noch unter Kalligrafie. Ich hatte sogar ein paar alte Federn von meinem Opa und ein kleines Tuschefass. Damit konnte ich mich Nachmittage-lang beschäftigen. Dann kam das Studium und das normale Leben und irgendwie ist mir mein Hobby abhanden gekommen.
Als ich nach meiner Lungentransplantation dann auf einmal wieder sowas wie Freizeit hatte (keine Therapie mehr rund um die Uhr, keine dauerhafte Erschöpfung mehr – sondern Energie und freie Zeit! Wahnsinn!), da bin ich beim Internetsurfen zufällig bei Chalk-Lettering gelandet – also Buchstabenmalen mit Tafel & Kreide. Das fand ich toll und bekam sofort Lust darauf. Aber Kreide bzw. Kreidestaub war nicht gerade die beste Idee für meine Spenderlunge, also habe ich weitergesucht und das (normale) Lettering gefunden. Und sofort war meine alte Buchstabenliebe wieder da und ich Feuer und Flamme.
Als ich dann noch den Lettering Stammtisch Hannover entdeckte mit lauter so verrücken Stift- + Papiersammlerinnen + Buchstabenmalenden wie mir, war ich total glücklich. (Durch den Lettering Stammtisch habe ich auch die nächste neue Leidenschaft Sketchnotes kennengelernt... aber das ist noch wieder eine andere Geschichte.)

Miriam: Basteln im Krankenhaus 


Sag mir was Du im Krankenhaus gebastelt hast und ich sage Dir, in welchem Jahr Du im Krankenhaus warst. Ich hatte das Glück in der MHH eine unglaublich tolle Beschäftigungsabteilung zu haben. Ich war etwa zwei Monate im Jahr in der Klinik und habe so manchen Basteltrend mitgemacht. Das erste an was ich mich erinnere sind Gipsbilder. Kennt das noch jemand von Euch? Als weiteres Highlight gab es das Einbrennen von Bildern und Namen in Holzbrettchen und Glasritzen. Eine zeitlang waren Kratzbilder angesagt, die fand ich auch sehr toll. Vor kurzem habe ich gesehen, dass auch diese jetzt für Erwachsene neu entdeckt und beworben werden. Fimo war eine extrem große und lange Phase und das habe ich auch zu Hause ganz viel gemacht (muss noch irgendwo sein…). Die Perlen-Krokodil-Phase habe ich ausgelöst. Und Fensterbilder (Papier/Pappe) waren dann so ziemlich meine letzte Bastelerfahrung dort. Ach  nein, Windowcolor … oder hab ich das später allein entdeckt? Kurz nach meinem Wechsel in die Erwachsenenklinik wurde Moosgummi der heiße Sch… , dass habe ich ausnahmsweise ausgelassen

Rätselraten (nicht unbedingt kreativ - aber entspannend)


Was geht immer und fast überall? Rätselraten. Insa liebt dabei besonders Sudoku und Suchworträtsel, Miriam steht auf Nanogramme.
Da es inzwischen auch viele Rätselapps fürs Handy gibt, sind z.B. die Wartezeiten bei Ärzten durchaus besser hinnehmbar. Für unsere Krankenhausbesuche früher haben wir uns immer mit Rätselheften eingedeckt – und glücklicherweise hatte z.B. die MHH immer einen Kiosk, bei dem man Nachschub kaufen konnte.

Miriam: Neues Hobby, gute Laune 

Das wir dieses Thema einmal näher  beleuchten, lag unter anderem an der derzeitigen Situation. Nur weil Isolation und #socialdistancing für uns nichts Neues ist, ist es deswegen trotzdem nicht schön. Dazu kommen natürlich auch bei uns die Sorgen wie es weitergeht oder was wäre wenn wir uns anstecken würden. Klingt vielleicht für einige eigenartig, aber ein Hobby kann in solchen Situationen helfen. Ich habe mir ein neues Hobby „gegönnt“, um das ich schon lange herumschleiche, aber aus Vernunftgründen bisher gemieden habe (klassisches Zeit-Energie-Platz-Dilemma). Mein erstes Diamond Painting Set (quasi Malen nach Zahlen mit Perlen/Steinchen) kam genau zur richtigen Zeit und hat mich tatsächlich aus einem Tief geholt und mir Energie und Motivation zurück gegeben. Ich habe das Glück, das ich mich schon immer sehr in so Tüddelkram vertiefen kann. Ob das meine Nanogramrätsel, Puzzle, Handarbeiten oder eben jetzt das Diamond Painting ist. Währenddessen stelle ich immer wieder fest, wie ruhig meine Atmung wird und Schmerzen (oder früher Atemnot) ein wenig in den Hintergrund treten und Zeit unglaublich schnell vergeht – gerade beim Warten darauf, dass ein Medikament anfängt zu wirken  (Schmerzmittel zum Beispiel) hilft mir so etwas manchmal.
Wie hoffen Ihr hattet ebenfalls Spaß beim Lesen, beim Erinnern an eigene Hobby-Erlebnisse und vielleicht hat Euch sogar etwas davon inspirieren können.
Schreibt uns gerne was Ihr (also egal ob chronisch krank oder nicht) gerne als „Stillbeschäftigung“ macht. Oder ob es etwas gibt, was Ihr gerne mal probieren würdet, aber Euch irgendetwas davon abhält (kann ich eh nicht … keine Zeit … kein Platz …).

Miriam + Insa

Freitag, 24. April 2020

Wie sollen wir damit leben - Neue Sicherheit

In den Medien hören wir nun immer häufiger, dass wir Menschen lernen werden müssen, mit dem neuen Corona-Virus zu leben. Viele sind darüber geschockt und fragen sich, wie soll man denn damit leben? Auch dass es nicht morgen vorbei ist, sondern Monate und Jahre dauern wird, ist für viele scheinbar erstaunlich. Ohne jetzt jemanden runterziehen zu wollen, aber dass gerade "wir" Hochrisikogruppe wohl eher in Jahren als Wochen rechnen müssen, ist mir schon lange klar. Es wird immer nach einem Termin geschrien, die Menschen bräuchten Perspektive, ein Datum, Planungssicherheit. Ja, das wäre sicher schön, aber so ein Virus hat nun mal keinen Kalender in seiner DNA und sagt dann am Tag X: "Okay, ich bin hier fertig, macht es gut."
Zeichnung: Insa Krey

Es wird alles langsam anders werden und es wird auch nicht wieder wie vorher, dazu ist zu viel passiert. Das meine ich gar nicht negativ. Es gibt immer Ereignisse, die das Erleben, das Sicherheitsgefühl und zum Teil auch das Verhalten ändern werden.

Vielleicht ein Beispiel aus meiner Kindheit: Tschernobyl. Ich war knapp elf Jahre alt und neben vielen Dingen an die ich mich erinnere, hat sich für immer geändert, dass ich nie mehr unbeschwert im Regen stehen/spielen konnte. Das war damals ein großes Thema. Natürlich gerate ich heute nicht in Panik wenn ich  unterwegs bin und es anfängt zu regnen. Aber als ich letztes Jahr die Nachbarskinder juchzend durch den Regen laufen sah, wurde mir bewusst, dass ich da doch sehr viel drüber nachgedacht habe und vor allem in den ersten Jahren nach der Katastrophe so schnell wie möglich rein gerannt bin wenn es auch nur nieselte. Könnte ja irgendwo auf der Welt gerade wieder was passiert sein, was nun mit dem Regen runter kommt.
 

Neue Alltagsroutinen


Lange Rede, kurzer Sinn. Alltagsroutinen werden sich verändern. Am Schlimmsten finde ich, dass ein gewisses Sicherheitsgefühl verloren gegangen ist. Und dieses Sicherheitsgefühl 2019 wird auch nie wieder kommen. ABER wir werden ein neues Sicherheitsgefühl entwickeln. Das geht nicht von heute auf morgen und wird auch bei jedem unterschiedlich lang dauern. Wie das geht, dafür gibt es - leider - kein Patentrezept. Das wir sich ganz automatisch entwickeln. Durch meine Erkrankung habe ich schon oft mein persönliches Sicherheitsgefühl verloren. Gerade wenn ich mich gut mit meinen Körperreaktionen auskannte, kam etwas neues dazu. Zum Beispiel der Diabetes. "Das nicht auch noch. Mist. Das werde ich nie lernen, was ist wenn xy passiert, was aber wenn zx, wie soll ich das schaffen?" Es wird natürlich nie "Yeah, Diabetes." Aber es wird zur Alltagsroutine. Ich habe wieder gelernt Situationen einzuschätzen, auf neue oder veränderte Körperreaktionen zu reagieren. Ganz schlimm war es nach der Lungentransplantation. Meine jahrelange Erfahrung mit MEINER Muko-Lunge einfach so dahin. Vorher wusste ich jedes Geräusch zu deuten, ich wusste wie ich bei welchen Symptomen reagieren muss, wusste im guten wie im schlechten was bei welchen Körperreaktionen wohl in den nächsten Tagen auf mich zukam. Nach der Transplantation war ich verloren. Was wenn... spüre ich, wenn etwas nicht gut ist... was tun... wie reagieren... . Wie soll der Alltag jemals wieder entspannt ablaufen. Und auch da ging es schneller als gedacht und schon war da ein neues Sicherheitsgefühl. Wieder anders und auch das wird mal erschüttert, aber es ist da.

Und so wird es auch mit Corona werden. Schöner wäre es, wäre alles geblieben wie es ist, aber wir werden uns an den neuen Zustand gewöhnen. Wir Mukos werden nicht mehr die einzigen sein, die das Händeschütteln ablehnen (und es wird hoffentlich nicht mehr so sehr als Unfreundlichkeit aufgefasst). Spuckschutz an Kassen werden Normalität und sicher noch ein paar andere Kleinigkeiten werden sich dauerhaft verändern. Natürlich wird es noch eine schwierige Zeit werden und es mag nach Floskel klingen, aber wir werden dass schaffen. Im Moment kann ich mir noch gar nicht vorstellen, je wieder ohne große Ängste zu verreisen oder auch nur mehrere Menschen zu treffen. Trotzdem wird es dazu kommen und ich werde es genießen können. Es wird ein Punkt mehr sein auf der Gedankenliste, gerade bei größeren Veranstaltungen oder beim Reisen, dass macht mich im Moment noch etwas traurig. Doch aus der Erfahrung heraus vertraue ich auf das neue kommende Sicherheitsgefühl.

Bleibt stark

Miriam

P.S.: Manchmal kann es nötig sein, Hilfe anzunehmen um sich wieder sicher zu fühlen. Solltet ihr große Sorgen haben, was in der Zukunft sein wird (gesundheitlich, wirtschaftlich, ...) oder wie ihr die Zeit in Isolation schaffen sollt, gibt es Telefonnummern, wo ihr eure Sorgen mal rauslassen und auch Hilfe bekommen könnt. Scheut euch nicht diese Angebote anzunehmen.
Hier nur ein paar Beispiele (im Netz findet ihr noch viel mehr):



Freitag, 17. April 2020

Triage - was ist das, was soll das, was macht das mit uns?

Bei dem Wort Triage (ausgesprochen triaasch) denken im Moment viele sofort an Krankenhäuser, die Menschen sterben lassen, weil es nicht genügend Personal und Geräte zur Behandlung gibt. Aber die Triage ist gar nichts Neues und hat nichts mit der Corona-Pandemie zu tun. An dieser Stelle der übliche Hinweis, dass wir keine Mediziner sind und wir hier nur unsere Erfahrung teilen, beziehungsweise was wir uns angelesen haben. Außerdem ist es ein sehr komplexes Thema, welches wir hier einmal ganz vereinfacht dargestellt erklären wollen.

Zurück zum Thema. 


Wie gesagt, die Triage ist in der Medizin und vor allem in Notaufnahmen ein ganz normaler Ablauf. Ganz vereinfacht könnte man es als Ampelsystem erklären. Anders als zum Beispiel beim Hausarzt kommen in eine Notaufnahme sehr unterschiedlich stark erkrankte Menschen. Da geht es also nicht unbedingt der Reihe nach ("ich war aber zuerst da"). Schließlich macht es einen Unterschied ob ich mir in den Finger geschnitten habe oder ob ich gerade einen Herzinfarkt mit Atemstillstand erleide. Das sind jetzt sehr extreme Beispiele, aber ich denke Ihr versteht das System. Daher wird in vielen Notaufnahmen, vor allem wenn es sehr voll ist, das besagte Ampelsystem angewendet.
  • Rot sind lebensbedrohlich Kranke, die umgehend behandelt werden müssen, weil sie ansonsten einen dauerhaften Schaden erleiden oder sogar sterben. 
  • Manchmal wird an dieser Stelle noch in rot und orange unterteilt, aber wir wollen es hier einfach halten. 
  • Nach den rot eingestuften Kranken kommen die Gelben Patienten an die Reihe. Diese Patienten sind in der Erstsichtung schon als deutlich krank erkannt worden, haben keine lebensbedrohlich schlechten Werte (z.B. Blutdruck, Sauerstoffsättigung), aber ihr Zustand ist doch grenzwertig und es besteht die Sorge, dass die Situation schnell kippen kann. Gelb eingestufte Patienten sollten also nicht unbedingt noch fünf Stunden in einer Ecke sitzen/liegen und warten müssen. 
  • Grün sind Patienten, die nicht lebensbedrohlich erkrankt sind und für die es zwar unangenehm ist zu warten, aber - zumindest nach erster Einschätzung - keine schwere Erkrankung oder durch warten verursachte Folgeprobleme zu erwarten sind. 
  • Hier wird manchmal noch in blau unterteilt, dass sind dann meist Fälle, die eigentlich zum Hausarzt hätten gehen können. Ein Klassiker hier. "Ich habe schon seit Wochen diese Erkältung/Rückenschmerzen/eingewachsenen Zehnagel (kein Scherz, nicht ausgedacht)."
Soweit das Grundprinzip, bis hier her doch ganz logisch. Es gibt übrigens kein total genormtes einheitliches System. Aber der Aufbau ist immer ähnlich: Einteilung in 3 - 5 Gruppen. Manchmal gibt es für die einzelnen Gruppen Empfehlungen, wie lange es bis zur Behandlung höchstens dauern sollte, dann gibt es verschiedene Kriterien die quasi abgehakt werden (Puls, Atmung, Allgemeinzustand etc) und vieles mehr.
 Foto: GregMontani, www.pixabay.com
 

Besonderheiten zum Beispiel in Katastrophenfällen


Wenn wir an große Naturkatastrophen (zum Beispiel Erdbeben), Massenunfälle (Flugzeugabstürze, Zugentgleisungen...) oder Terroranschläge wie den 11. September denken, kann sich jeder glaub ich vorstellen, dass es eine unfassbare Menge von Verletzten gibt, aber erst nach und nach Hilfe kommt. Auch hier ist das Ampelsystem unglaublich wichtig.
Ein Beispiel: Ich komme als Arzt an so einen Unfallort und mir kommt ein selbstverständlich total aufgeregter, aber leicht verletzter Mensch entgegen gelaufen. Wenn ich nun also meinem ersten Impuls nachgebe, mich um ihn kümmere, versuche ihn zu beruhigen und seine vielen kleinen Kratzer und die gebrochene Hand versorge, liegt vielleicht 20 Meter entfernt ein Mensch der gerade verblutet, weil niemand die verletzte Beinarterie abbindet. Daher muss ich meinem ersten Impuls widerstehen, den Leichtverletzten schweren Herzens mit ein paar schnellen Worten abfertigen (kommt gleich jemand oder melden sie sich bitte an Ort xy) - eventuell "markiere" ich ihn schon mit einem farblichen Zettel und gehe dann weiter auf die Suche nach "roten" Patienten.

Schlimmste vorstellbare Entscheidung


Haben wir die absolut schlimmste vorstellbare Situation bei solch einer Katastrophe (und das ähnelt nun den furchtbaren Corona-Zuständen z.B. in Italien) mit unglaublich vielen roten Patienten und wenig Ressourcen (Ärzte- und Pflegepersonal, Betten, Geräte) muss ich als Ärztin/Arzt die schlimmste aller Entscheidungen treffen: Ich habe hier einen "roten" Patienten, dessen Aussichten zu überleben quasi null sind. Normalerweise würden jetzt trotzdem mehrere Personen alles versuchen auch diese letzte minimale Chancen zu nutzen und diesen Menschen zu retten. ABER: In dieser Zeit würden viele andere der roten Patienten sterben, die bei schneller Behandlung noch gute Aussichten hätten zu überleben. Jetzt muss ich als Mediziner*in quasi den einen Menschen opfern, um andere retten zu können.
Diese Entscheidung trifft niemand leichtfertig und ist natürlich ganz schrecklich für den, der nun zum sterben verurteilt ist, aber auch für die Person, die diese Entscheidung treffen musste.

Solche Entscheidungen müssen im Moment Mediziner in sehr stark betroffenen Corona-Regionen treffen. Alter ist hierbei leider ein Kriterium. Durch altersbedingenten "Verschleiß" und Vorerkrankungen ist das Risiko eine Covid-19 bedingte Beatmung mit 80 nicht zu überleben statistisch gesehen natürlich größer, als mit 20. Das wirklich miese in solchen Ausnahmesituationen ist, dass dann pauschalisiert wird/werden muss. Zum Beispiel bei ALLEN 80jährigen wird nicht mehr der Versuch unternommen sie mitttels Beatmung zu retten. Denn in diesen katastrophalen Ausnahmesituationen hat niemand mehr Zeit individuell auf die Menschen zu gucken, da geht es dann einfach pauschal nach der statistischen Wahrscheinlichkeit. Ganz ganz furchtbar - aber gleichzeitig auch irgendwie verständlich, wie sollte es ansonsten funktionieren?

Was macht das mit "uns Risikogruppe".


Ich bin nicht 80 und trotzdem würde ich in so einer extrem seltenen Ausnahmesituation dem Ampelsystem zum Opfer fallen. Mein Immunsystem wird wegen der Lungentransplantation gedrückt, mein Körper hat viel durch und Schäden davon getragen, meine Nieren funktionieren nicht mehr so super und so weiter... Würde ich also um einen Beatmungsplatz mit einer "gesunden" 40jährigen Frau konkurrieren, würde ich verlieren.

Tatsächlich habe ich so etwas im kleinen Maßstab schon erlebt: Nachdem ich schon über vier Jahre auf eine Lunge gewartet hatte, konnte meine eigene einfach nicht mehr und ich musste an die ECMO (eine Art Herz-Lungen-Maschine). Jetzt könnte man meinen, wenn es mir doch so schlecht ging, bin ich bestimmt gleich ganz oben auf die Warteliste gekommen. Aber so einfach ist das nicht. Das Ärzteteam und der Ethikrat (so wurde es mir zumindest später erzählt) mussten entscheiden, ob mir noch die Chance einer Transplantation gegeben werden kann. Es gibt nun mal sehr wenig Organangebote und jemand der noch allein zum OP laufen kann, hat natürlich viel bessere Überlebenschancen, als jemand, der mit absoluter Maximalmedizin am Leben gehalten wird. Außerdem schwingt natürlich auch mit, ob man den Patienten - in dem Fall mich - noch unnötigen Belastungen aussetzt, wenn es doch eh keine Hoffnung gibt. Zum Glück durfte ich weiterkämpfen und habe eine Spenderlunge bekommen, wofür ich wahnsinnig dankbar bin

#wirbleibenzuhause


All dies nun zu wissen, hat mir gerade in der Anfangszeit der schlimmen Bilder aus Italien tatsächlich etwas Angst gemacht und ich bekam auch wieder "Flashbacks" - das heißt ich hatte schlimme Erstickungsträume oder war im Traum zurück auf der Intensivstation. Das ist schon wieder viel besser geworden, vor allem weil ich sehe wie viele Menschen sich an die neuen Regeln halten und wir es ALLE GEMEINSEIN bisher geschafft haben, unsere Kliniken nicht zu überlasten und damit solche schlimmen Entscheidungen hier noch nicht getroffen werden mussten. Geschockt hat mich ein Bericht einer amerikanischen Mutter die schrieb, dass Muko-Patienten in fünf Staaten der USA zur Zeit kein Anrecht auf Beatmung haben... Was für ein furchbares Gefühl! Ich kann das gar nicht beschreiben.

Daher lasst uns bitte weiter daran arbeiten, die Kurve der Neuinfektionen mit dem Corona-Virus flach zu halten. Auch wenn ich verstehen kann, dass einigen die Decke auf den Kopf fällt, andere drei kleine Kinder in einer zu kleinen Mietwohnung bei Laune halten müssen und die wirtschaftlichen Sorgen immer größer werden. Aber auch wenn wir als Risikogruppe häufiger einen schweren oder gar tödlichen Covid-19 Verlauf haben, es kann durchaus auch einen jungen gesunden Menschen schwer treffen. Da sollte sich niemand in falscher Sicherheit wiegen. Darum bitte ich Euch, passt weiterhin gut auf Euch und Eure Mitmenschen auf. Wir werden das alle irgendwie schaffen, dessen bin ich mir sicher.

Alles Liebe,
Miriam